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Der italienische Humanismus in
Österreich46
gen zum richtigen Schreiben bereiten die Beschäftigung mit den freien Künsten vor,
welche dem humanistischen Fürsten wichtiger sein müssen als spezielle Fragen der
Theologie oder der Jurisprudenz. Seine darauf folgenden seitenlangen Erklärungen
zur lateinischen Sprache rechtfertigt Piccolomini mit der Notwendigkeit einer prä-
zisen Kenntnis der sprachlichen Eigenheiten:
Si ergo grammatice recteque loqui volumus, noscendus est verborum usus, quo-
rum aliqua nostra sunt, aliqua peregrina; aliqua simplicia, aliqua composita; ali-
qua propria, aliqua translata; aliqua usitata, aliqua ficta; atque in his tota vis recte
loquendi consistit, ut his apte compositeque utamur. (S. 182)
Von der richtigen Anwendung der einzelnen Satzteile bis zur bildlichen Ausdrucks-
weise gilt jedoch ein Prinzip: „Sicut ergo vivendi consensum bonorum, sic et lo-
quendi consonantiam eruditorum appellare et imitari consuetudinem oportebit.“
(S. 206)
Die wichtigste Quelle für De liberorum educatione ist wohl die vom Frühhuma-
nismus wieder entdeckte und hoch geschätzte Institutio oratoria von Quintilian,56
worin ebenfalls der an Cicero geschulte Klassizismus als ein Bildungsideal ge-
priesen wird, das stilistische Perfektion mit menschlicher Vollkommenheit
gleichsetzt: „Die ehrenvolle Berufung zum Prinzenerzieher an den Hof des Kai-
sers Domitian und die daraus resultierende Laudatio für diesen Fürsten (Vor-
rede zum 4. Buch) bindet das Werk in den weltgeschichtlichen Wirkungsrahmen
ein, der auch Enea als Funktion und Einflußbereich des höfischen Humanismus
vorschwebte.“57
Auch wenn keine direkten Auswirkungen auf die Erziehung des Adressaten La-
dislaus selbst nachweisbar sind, findet Piccolominis De liberorum educatione in den
habsburgischen Ländern eine interessierte Aufnahme zumindest in den Kreisen
der Intellektuellen: eine noch 1450 entstandene Handschrift in Melk enthält eine
gekürzte Fassung des Werkes, die vermutlich auf den Ordensreformer und Wie-
ner Universitätslehrer Johannes Schlitbacher zurückgeht. Die eigentliche Absicht
des Autors, ein Erziehungsmodell für künftige Herrscher zu schaffen, konkretisiert
sich erst, als Eleonore von Portugal, die Mutter des 1459 geborenen Thronfolgers
Maximilian, 1466 von Johannes Hinderbach (1418 – 86), einem Freund des inzwi-
schen verstorbenen Papstes Pius II., eine mit Miniaturen, Wappen und Initialen
56 Kallendorf verweist in seinen Anmerkungen 82 Mal auf Quintilian.
57 Bauer: Enea Silvio Piccolomini, S. 102.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549