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Silvio Piccolomini in Wien
geschmückte und von Piccolominis Handexemplar in Rom kopierte Handschrift
erhält.
Auch wenn sich Kaiser Friedrich III. einer wirklich humanistischen Erziehung
seines Sohnes Maximilian zu widersetzen scheint,58 dürfte doch dessen sprachliche
Ausbildung durch Thomas Prelokar,59 Jakob von Fladnitz und Peter Engelbrecht
bereits eine gewisse Öffnung zu neuen Methoden aufweisen. Die Ausarbeitung eines
speziellen Lehrbuches auf der Grundlage der Donat-Grammatik und besonders das
Gesprächsbüchlein mit seinen fiktiven Alltagsunterhaltungen zeigen zumindest das
Bemühen um eine didaktische Reform. Ohne Zweifel werden Jahrzehnte später im
Weißkunig von Maximilian wesentliche Elemente aus Piccolominis Empfehlungen
wieder auftauchen: die Unterteilung in die vier menschlichen Lebensalter, die Not-
wendigkeit der körperlichen Ertüchtigung, die sorgfältige Wahl der Spielgefährten,
das unumgängliche Studium der Grammatik, die Pflege einer sorgfältigen Schrift
und ähnliche Aspekte werden ausdrücklich als wichtige Gesichtspunkte zur Heran-
bildung einer würdigen Persönlichkeit in Erinnerung gerufen.60
Die Verbreitung der humanistischen Bildungsideale durch Enea Silvio Piccolomini
beschränkt sich jedoch vorerst auf die pädagogische Theorie und auf die Grundausbil-
dung, während er auf die inhaltliche Ausrichtung der Universität Wien kaum Einfluss
hat, obwohl er mindestens zwei Mal dort persönlich aufgetreten ist: im Jahr 1445, in
kurzem zeitlichen Abstand, vermutlich im Rahmen einer Quodlibetdisputation gegen
Johannes Widmann aus Dinkelsbühl in Anwesenheit von Kaiser Friedrich III. und
Herzog Sigmund von Tirol61 und aus Anlass der Eröffnung des Studienjahres vor der
juridischen Fakultät.62 Piccolomini kritisiert an verschiedenen Stellen vor allem das
Übergewicht der (typisch mittelalterlichen) Dialektik und das fast völlige Fehlen von
Rhetorik und Poesie im Programm der Artistenfakultät, was er auf die scholastische
Ausrichtung nach Pariser Vorbild zurückführt: „Dennoch muß mit Blick auf die Re-
zeptionsgeschichte von Humanismus und Renaissance festgehalten werden, daß selbst
im Kreise der als traditionell verschrieenen Wiener Universität sich seit der Wende
58 Weiß: Das Bildungswesen, S. 230.
59 Auch Perlower, Berlower bzw. Prelager; 1421–96, aus Cilli-Celje.
60 Vgl. Folkhard Cremer: Kindlichait, Junglichait, Mandlichait, Tewrlichait. Eine Untersuchung zur Bild-
Text-Redaktion des Autobiographieprojektes Kaiser Maximilians I. und zur Einordnung der Erziehungs-
geschichte des Weisskunig. Egelsbach 1995, S. 104–111.
61 Alphons Lhotsky: Die Wiener Artistenfakultät 1365–1497. (Sitzungsberichte der Österreichischen Akade-
mie der Wissenschaften, Phil.-Histor. Klasse, 247) Wien 1965, S. 139 und 263–273; diese Angaben schei-
nen allerdings nicht mehr aktuell, weder in Bezug auf die Person des Disputators noch was die dort noch
unterschätzte Verbreitung dieser Rede betrifft – mittlerweile kann man von mindestens 19 Handschriften
ausgehen; vgl. Wagendorfer: Eneas Silvius Piccolomini, S. 23, Anm. 6, und S. 49.
62 Guido Kisch: Enea Silvio Piccolomini und die Jurisprudenz. Basel 1967, S. 41–54.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549