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Der italienische Humanismus in
Österreich48
zum 15. Jahrhundert eine Bewegung zur Veredelung der Gebrauchslatinität und zur
Reform des Grammatikunterrichtes nachweisen läßt.“63
Die Widerstände gegen Piccolomini innerhalb der Universität sind vermutlich viel-
fältiger Natur und betreffen neben der Skepsis gegenüber den studia humanitatis (die
in moderater Weise durchaus angenommen werden, wie sich im folgenden Kapitel
zeigen wird) sicher ebenso die Ablehnung der politischen Positionen von Picco-
lomini. Daher gilt als die vorherrschende Meinung in der Forschung: „An der Uni-
versität hat Aeneas anscheinend nicht überzeugen können mit seinem Programm
der Rhetorik als ars artium, er wurde nur außerhalb der Universität, in den Kanzlei-
kreisen und unter den hohen und mittleren Klerikern gelesen.“64
Zu den von Piccolomini beeinflussten Personen zählt nachweislich z.B. Michael
Wochner von Auerbach, der 1454 an der Universität Wien immatrikuliert und 1480
als Chorherr im Kollegiatsstift Spital am Pyhrn stirbt: er besitzt in seiner Privatbib-
liothek zahlreiche Werke Piccolominis (darunter auch eine Abschrift der Historia de
duobus amantibus), welche zu Beginn des 16. Jahrhunderts in die Bibliothek von Stift
Kremsmünster gelangen werden. Wagendorfer relativiert daher den Konflikt mit
der Universität, indem er nicht das Lehrprogramm als Maßstab heranzieht, sondern
die Personen und die von ihnen rezipierten Werke: „Sehr wohl lässt sich somit auch
frühe Piccolomini-Rezeption in humanistischem Kontext im Umkreis der Universi-
tät Wien nachweisen, wenn man nicht nur noch heute in Wien liegende Handschrif-
ten einbezieht.“65
Die Verbreitung der Schriften Piccolominis erstreckt sich über das gesamte öst-
liche Mitteleuropa, wie Zeugnisse aus Böhmen illustrieren, wo Intellektuelle wie
Wenzel von Bochov aus Krumau, Johann Tuschek aus Prag oder Johannes Schindel
aus Königgrätz seine Texte kopieren, kommentieren und mit ihm Kontakt aufneh-
men.66 Durch seinen Schüler Callimachus Experiens (eigentlich Filippo Buonaccorsi
de Tebaldis da San Gimignano, 1437– 96) finden die humanistischen Gedanken Pic-
colominis auch ihren Weg nach Polen, insbesondere nach Krakau, wo Callimachus
an der bereits 1364 gegründeten Universität ab 1472 die studia humanitatis unter-
63 Alfred A. Strnad: Die Rezeption von Humanismus und Renaissance in Wien. In: Winfried Eberhard /
Alfred A. Strnad (Hg.): Humanismus und Renaissance in Ostmitteleuropa vor der Reformation. Köln /
Weimar / Wien 1996, S. 71–136; hier S. 75.
64 Frank Fürbeth: Johannes Hartlieb. Untersuchungen zu Leben und Werk. Tübingen 1992, S. 259.
65 Wagendorfer: Eneas Silvius Piccolomini, S. 35, Anm. 79.
66 Vgl. Sante Graciotti / Jitka Kresálková (Hg.): Il Rinascimento italiano e le letterature slave dei secoli XVe
XVI. Mailand 1973.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549