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Der italienische Humanismus in
Österreich62
Wesen des menschlichen Lebens und die moralischen Gefahren der körperlichen
Krankheit (De humanae vitae conditione et toleranda corporis aegritudine), der den Wert
des irdischen Lebens und die Würde des Menschen zum Inhalt hat.
Der mit Janus Pannonius befreundete Dichter und Arzt Galeotto Marzio (1427–
97) kommt zum ersten Mal 1461 nach Ungarn, unterrichtet danach einige Jahre
in Padua und Bologna und hält sich dann ab 1465 für vermutlich sieben Jahre am
ungarischen Königshof auf. Er verfasst dort sein medizinisches Hauptwerk De ho-
mine (Bologna 1475), das er dem ungarischen Humanisten János Vitéz (1408–72)
widmet, lehrt an der Accademia Istropolitana, der 1467 gegründeten Universität
Preßburg, und spielt eine entscheidende Rolle beim Aufbau der Biobliotheca Cor-
viniana. In Italien wird Marzio wegen seiner Ideen verfolgt, so dass er 1478 wieder
Schutz bei König Matthias sucht. Ihm widmet er auch 1485 ein Büchlein mit Be-
schreibungen seiner Sprüche und Taten (De egregie, sapienter, iocose dictis ac factis regis
Mathiae).109
Der florentinische Neuplatonist Francesco Bandini († ~1490) berät ab 1477 Kö-
nig Matthias in seinem Repräsentationsprogramm und fördert gleichzeitig die Auf-
nahme der italienischen Renaissancekunst in Ungarn.110 Seit seinen Studienjahren
ist Bandini mit Miklós Báthory (~1435–1506, ab 1475 Bischof von Vác-Waitzen)111
befreundet, welcher in seinem Bistum eine öffentliche Hochschule gründet, an der
Italiener unterrichten, darunter auch Francesco Negro Pescennio (Franciscus Niger,
1452– ~1523), Verfasser einer weit verbreiteten Grammatica brevis und eines mehrfach
gedruckten Modus epistolandi. Negro hinterlässt in seiner Cosmodystichia 1513 eine be-
merkenswerte zeitgenössische Beschreibung des regen ungarischen Kulturlebens.
Taddeo Ugoleto († ~1514), der Erzieher von Johannes Corvinus, dem uneheli-
chen Sohn von Matthias, leitet vermutlich ab 1480 die Bibliotheca Corviniana, wel-
che in dieser Zeit auf ca. 1000 Handschriften angewachsen ist. Nach dem Höhepunkt
ihrer Entwicklung unter Ladislaus II. verfällt die Bibliothek allerdings rasch wieder,
so dass 1519 der im Gefolge von Kardinal Ippolito d’Este reisende Ferrareser Hu-
manist Celio Calcagnini (1479 –1541) den Insektenbefall und 1520 der venezianische
Gesandte Francesco Massaro († nach 1523) das Fehlen wichtiger Bände beklagen.112
Die unter Matthias herangewachsene und zum Großteil in Italien ausgebildete
Generation ungarischer Intellektueller hält noch bis zur Niederlage von Mohács
109 Leipzig: Teubner 1934.
110 Vgl. Tibor Klaniczay: Tracce di un’accademia platonica nella corte di Mattia Corvino. In: Luigi Reina
(Hg.): Humanitas e poesia. Studi in onore di Gioacchino Paparelli. Salerno 1988, Bd. I, S. 103–115.
111 Báthory korrespondiert auch mit Mitgliedern der Platonischen Akademie in Florenz, vor allem Marsilio
Ficino und Sebastiano Salvini.
112 Vgl. Otto Mazal: Königliche Bücherliebe. Die Bibliothek des Matthias Corvinus. Graz 1990.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549