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Späthumanisten zwischen Wien und Prag
– wie bereits im Carme – die antike Mythologie konsequent in den Dienst politischer
Propaganda gestellt wird:
Der als Göttin von Hochzeit und Ehe erscheinenden Juno, die in ihrem Gefolge
die Erdteile Asien, Afrika und Amerika mit sich führt, tritt Jupiters Geliebte Eu-
ropa entgegen, unterstützt von Italia, Hispania, Gallia und Germania mit den ih-
nen zugeordneten Jahreszeiten und Winden, begleitet aber auch von den olym-
pischen Göttern und von allegorischen Gestalten wie den Kardinaltugenden und
den freien Künsten.141
Als Einleitung zur poetischen Schilderung des Turniers wählt Fontana ein Gespräch
zwischen Victoria, Fama und Pompa, das die Vorbereitungen auf die am 7. Okto-
ber 1571 stattfindende Schlacht von Lepanto thematisiert und bietet außerdem eine
überaus originelle Legende zum Ursprung des Hauses Habsburg: Die Liebe des
Windgottes Auster zu Abspurge, der Tochter des Flussgottes Rhenus, erlaubt eine
phantasievolle Verknüpfung der helvetischen Herkunft der Familie mit einer sagen-
haften, in der antiken Mythologie verwurzelten Abstammung.
Durch die Verbindung der Dichtung mit den Bildenden Künsten und vor allem
mit der Festkultur schafft Fontana in seinen Texten wichtige Voraussetzungen für
die spezifischen Gattungen der barocken Panegyrik, welche in Wien von den kai-
serlichen Hofdichtern im Laufe des 17. Jahrhunderts beispielhaft ausdifferenziert
werden. Von der direkten Eingliederung der literarischen Produktion in das höfi-
sche Spektakel über die funktionale Anlassdichtung (Hochzeitsgedichte, Widmun-
gen) bis zu den Libretti der Hofoper wird sich ein weites Feld der Betätigung für
die italienischen Autoren eröffnen, das von ihren späthumanistischen Vorgängern
sowohl sprachlich (durch den schrittweisen Übergang von Neulatein zu Italienisch)
als auch thematisch (durch die Verbindung antiker Mythologie mit politischer Aktu-
alität bzw. mit der Genealogie der Herrscher) vorbereitet wird.
Fontana hinterlässt über das Carme und die Europalia hinaus noch einen ebenfalls
nur handschriftlich überlieferten moralphilosophischen Dialog mit dem Titel De
risu, sive quod risus sit virtus (ÖNB Cod. 10466) sowie die gedruckte genealogische
Abhandlung De prisca Caesiorum gente (Bologna 1582).
141 Elisabeth Klecker: Auster und Absburge. Ein ‚Habsburg-Mythos‘ des 16. Jahrhunderts. In: B. Guthmüller /
W. Kühlmann (Hg.): Renaissancekultur und Antike Mythologie. Tübingen 1999, S. 167–182, hier S. 167.
Aus der Dokumentation des Festzuges geht hervor, dass Maximilian II. als Winter, sein Sohn Erzherzog
Rudolf (1552–1612) als Sommer, seine Brüder Erzherzog Karl II. und Ferdinand II. (von Tirol, 1529 – 95)
als Könige von Asia und Africa aufgetreten sind.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549