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Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in
Österreich82
1598 bis 1612 in Südböhmen tätig und nach dem Tod seines Dienstgebers in konfessio-
nelle Konflikte verwickelt, weshalb er 1620 an den Oberrhein zurückkehrt, hinterlässt
Hock eine deutsche Gedichtsammlung mit dem Titel Schönes Blumenfeld (1601), in der
deutliche Bezüge zu Petrarcas Canzoniere auszumachen sind. Aber diese literarischen
Aktivitäten aus vorwiegend protestantischem Milieu finden am Kaiserhof, der sich im
Zuge der konfessionellen Konflikte von Deutschland abwendet, kaum Anerkennung.
Dennoch bleibt selbst in diesen konfliktreichen Zeiten der Gegenreformation
das Milieu des Landadels in Österreich mit seiner gewissen antihöfischen Grundhal-
tung den kulturellen Idealen der italienischen Renaissance, Literatur und Hofkul-
tur verpflichtet. Repräsentativ für diese Einstellung scheinen die auf Schloss Greil-
lenstein ansässigen, katholischen Grafen Kuefstein: Hans Ludwig von Kuefstein
(1582–1656), 1627 zum Katholizismus konvertiert, soll Giovanni Boccaccios Ele-
gia di Madonna Fiammetta ins Deutsche übertragen haben; sein Neffe Georg Adam
von Kuefstein (1605–56), Der Kunstliebende in der Fruchtbringenden Gesellschaft,
ist ebenfalls als Übersetzer tätig. Beide sind befreundet mit dem protestantischen
Dichter Wolf Helmhard von Hohberg (1612–88), Der Sinnreiche in der Frucht-
bringenden Gesellschaft, dessen Versepen sich deutlich auf die italienische Tradi-
tion beziehen: Die unvergnügte Proserpina (1661) imitiert in ihrer mythologischen
Ausgestaltung den Versroman L’Adone von Giambattista Marino (1569 –1625); der
Habspurgische Ottobert (1661) inspiriert sich an Ariostos Orlando furioso und Tassos
Gerusalemme liberata. Personentypen und Handlungsmotive werden ebenso augen-
scheinlich zitiert wie Äußerlichkeiten in den Beschreibungen, so dass man von einer
bewussten Intertextualität ausgehen kann, was auf eine eingehende Kenntnis der
italienischen Texte bei dem deutschen Publikum schließen lässt. Hohberg verfasst
auch eine monumentale Enzyklopädie des Landbaus, Georgica curiosa (1682– 87), die
neben zahlreichen antiken und französischen Vorbildern auch die anerkannte italie-
nische Fachliteratur vorwiegend des 16. Jahrhunderts zitiert: die Villae libri duodecim
(~1500) von Giambattista Porta, Ricordo d’agricoltura (1567) von Camillo Tarello, Le
venti giornate dell’agricoltura e dei piaceri della villa (1569) von Agostino Gallo sowie
L’Economia del Cittadino in villa (1661) von Vincenzo Tanara werden darin immer
wieder als Quellen herangezogen.
Die Begeisterung des österreichischen Kleinadels für Italiens Kultur und Spra-
che manifestiert sich auch in den zunehmenden Studienreisen, welche vornehm-
lich an die rechtswissenschaftlichen Fakultäten von Padua und Bologna führen und
häufig mit ausgedehnten Kavalierstouren in andere Regionen der Halbinsel ver-
bunden werden. Über die universitäre Ausbildung hinaus soll der junge Adelige
dabei Sprachkenntnisse erwerben und sich mit weltmännischen Umgangsformen
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549