Seite - 119 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 119 -
Text der Seite - 119 -
119Die
kontemplative Literatur für Laien
Als ein letztes Beispiel der italienischen Predigtliteratur in Österreich sei hier die
1730 an der Schwelle zur Frühaufklärung gedruckte Sammlung Terzo quaresimale
[…] rappresentato nel terzo Anno di sue fatiche in questa Reggia di Vienna nell’Imperial
Chiesa di San Pietro von Casimiro Galiberti genannt, mit der er an dem regen öffent-
lichen Interesse an der Peterskirche in dieser Zeit Anteil nimmt.232 Galiberti publi-
ziert 1733 auch ein religiöses Gedicht mit dem sprechenden Titel Sagro poema sopra
le tre orazioni della Chiesa. Per impetrare prole maschile all’Augustissima, e sempre Gloriosa
Casa d’Austria, sein literarischer Beitrag zur Bitte um göttliche Intervention für die
mittlerweile allerdings aussichtslos gewordene männliche Erbfolge nach Karl VI.
Die Glorifizierung der Gestalt Christi und die meist damit verbundene Marien-
verehrung nehmen in der katholischen Gegenreformation vor allem wegen der in ih-
nen wurzelnden dogmatischen Gegensätze zum Protestantismus eine herausragende
Position ein. Beispielhaft für die literarischen Formen der Christusanbetung ist ohne
Zweifel das 1635 in Rom veröffentlichte Fascetto di mirra, overo considerationi varie sopra
le piaghe di Christo von Vincenzo Caraffa (1585–1649), dem späteren General des Jesu-
itenordens, welches 1638 in Wien nachgedruckt wird. Es handelt sich bei dem Werk,
dessen deutsche Übersetzung 1648 in München erscheint, um mystische Betrachtun-
gen zur Passion Christi mit einer christologischen Interpretation der einzelnen Wun-
den, wodurch die Leser zur Meditation über das eigene Leben angeregt werden sollen.
Giovanni Antonio Petrarolo (* 1607) überträgt mit seinem 1645 in Wien veröf-
fentlichten Giojello Mariale, ove traluce il culto delli dolori della madre di Dio diese Form
der anbetenden Betrachtung über die sieben Schmerzen Mariä, deren zunehmende
Bedeutung während der Gegenreformation 1727 in die Proklamation eines eigenen
Festes am Freitag nach dem Passionssonntag mündet. Die mystische Interpretation
des Verhältnisses von Christus und Maria bietet ein weites Feld an metaphorischen
Elaborationen, unter welchen die Cynosura seu Mariana stella polaris Christo Jesu sole
amicta, exornata, illustrata des Jesuiten Niccolò Barsotti da Lucca (Nicolaus Lucen-
sis), eine 1655 in Wien veröffentlichte und schon 1657 am gleichen Ort nachge-
druckte lateinische Gedichtsammlung, wegen ihrer exemplarischen Transponierung
der religiösen Ideen auf den Sternenhimmel Erwähnung verdient.
Wie sehr die Marienverehrung in Österreich zu einer mit dem Schutz der katho-
lischen Monarchie verbundenen Idee wird, zeigt sich beispielhaft in der 1644 ange-
232 Nach einem Brand 1661 und notdürftiger Wiederherstellung erfolgt 1700 ein erster Spendenaufruf für
den Neubau durch die Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit, die ihren Vorstehern Franz von Ci-
schini und Joachim Georg von Schwandtner Gräber innerhalb der Kirche errichten lassen wird. Der
nach ursprünglichen Plänen von Johann Lucas von Hildebrandt errichtete und mehr als 475.000 Gulden
verschlingende Bau wird 1733 geweiht.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549