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131Die
katholische Frühaufklärung
Muratoris Werke stoßen auf ein breites Interesse nicht nur beim Laienpublikum,
sondern auch bei Vertretern der Amtskirche251 und bei Ordensangehörigen, denn
allein in den Klosterbibliotheken des heutigen Staatsgebietes sind insgesamt 443
Exemplare seiner Werke nachweisbar, darunter 55 Mal Della regolata divozione, je
43 Mal De ingeniorum moderatione (1714) und Della carità cristiana sowie 20 Mal Della
pubblica felicità. An Übersetzungen werden in Wien 1758 Das Glückliche Christenthum
in Paraguay (Il Cristianesimo felice nelle missioni de’ padri della Compagnia di Gesù nel
Paraguai. Venedig 1743) und 1783 Über die Abschaffung des Bettelns und Verpflegung
der Armen (Wien 1783, Folgeausgabe Innsbruck 1784) veröffentlicht. Andererseits
werden 1761 in Innsbruck Die wahre Andacht des Christen (Augsburg 1761; Della re-
golata divozione) und 1783 in Wien Abhandlung von der Mäßigung der Denkungsart
in Absicht auf Religionssachen (Frankfurt / Leipzig 1770; De ingeniorum moderatione)
nachgedruckt.
Auf ihrem Weg zu einem aufgeklärten Katholizismus, in dem der Klerus als Der
Priester, wie man ihn wünschen mag, und – wie er nicht alle Tage zu haben ist auftritt, wie
es programmatisch die populär-aufklärerische Schrift Quid pro Quo für manche mü-
ßige Stunde des Seelsorgers am Lande von Anselm von Edling (1741– 94) 1792 fordert,
sehen sich die Anhänger von Muratori einer scharfen Polemik von Seiten konserva-
tiver Kreise und vor allem der Jesuiten ausgesetzt. In wortspielerischer Übertragung
werden sie häufig als liberi Muratori bezeichnet, also als Freimaurer.
Eine anonyme Handschrift der Österreichischen Nationalbibliothek illustriert
jedenfalls, dass an den von der katholischen Frühaufklärung ausgelösten Diskussio-
nen über religiöse und soziale Reformen auch in Österreich lebende Italiener teil-
nehmen: Idea di un cosi Santo, come necessario Regolamento concernente le persone Serventi;
formata con la mira di riparare ad infiniti Scandali e disordini che corrono alla giornata; e
di cagionare una utilità Segnalata tanto al Principe, quantoche al Pubblico; e Singolarmente
alla povera gente dabbene che a Servire è astretta.252
Bemerkenswert scheint abschließend dabei, dass sich gerade in dem Bereich
der religiösen Literatur die im 18. Jahrhundert vordringende Orientierung an
Frankreich mit seinen Gesellschaftsmodellen und vor allem seiner Sprache unzwei-
felhaft manifestiert, und das trotz des deutlichen Einflusses, der von Italien und
251 „Diese Geistesströmung hatte mit Erzbischof Christoph Anton Graf Migazzi (1757–1803), der später zu
einem entschiedenen Gegner der durchaus jansenistisch beeinflussten josephinischen Reformen wurde,
einen wesentlichen Förderer in Wien.“ (Karl Vocelka: Kirchengeschichte. In: Csendes / Opll (Hg.):
Wien. Geschichte einer Stadt. Band 2, S. 311–363; hier S. 342.
252 Vgl. Alfred Noe: Die italienische Version der Aufklärungsliteratur und ihre Wahrnehmung im deutschen
Sprachraum. In: Erika Kanduth (Hg.): Italienische Aufklärungsliteratur im Zeichen europäischer Bezie-
hungen. Frankfurt 2000, S. 13–31.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549