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149Italienische
Truppen in Österreich und Böhmen
terhaltungsprogramm detailreich dar.308 In einem Brief vom 5. Januar 1628 nennt
Maria Anna neben den auftretenden Masken ausdrücklich die Namen einiger italie-
nischer Schauspieler: Ihren größten Gefallen findet die Figur des Doktor Gratian, des
pedantischen Akademikers aus Bologna, der in seinen schwarzen Mantel gehüllt mit
falschen lateinischen Zitaten um sich wirft. Sie zählt dann noch den jungen Lieb-
haber Lelio und den allseits bekannten Pantalone auf, erwähnt die Dienerfiguren des
Medecin (wohl Mezzetino) und des Trapolin. Außerdem tritt der spanische Offizier
Matamoros auf, eine Karikatur der in Norditalien zu dieser Zeit nur allzu bekann-
ten Besatzungstruppen.309 Von den weiblichen Figuren nennt Maria Anna die junge
Liebhaberin Florinda, weiters Lifia (d.h. Livia), Lucila und Oliveta.
Auf Grund dieser Kommentare ist die Besetzung der einzelnen Rollen inner-
halb der Truppe nachvollziehbar: Lelio ist die Paraderolle von Giovanni Battista
Andreini, von der er auch seinen Künstlernamen bezieht. Den Matamoros gibt
Silvio Fiorillo (~1560/70–~1632), sein Sohn Giovanni Battista Fiorillo den Trap-
polino; den Pantalone spielt Marc’Antonio Romagnesi, den Dottor Gratiano Gio-
vanni Rivani. Die weibliche Hauptrolle, in der Erzherzogin Maria Anna die beste
Komödiantin Italiens sieht, wird von Virginia Ramponi (1583–1630), der Ehefrau
von Giovanni Battista Andreini, interpretiert; die als weniger gut eingestufte Livia
ist Virginia Rotari, lange Zeit die Geliebte und später zweite Ehefrau von Andreini.
Die begeisterten Berichte der Erzherzoginnen Maria Anna und Cäcilia Renata an
ihren Bruder Leopold Wilhelm erstrecken sich über die gesamte Saison in Prag und
schildern nach dem Abschluss der Krönungsfeierlichkeiten zwei prominente Hoch-
zeiten im Umfeld des Hofes, bei welchen ebenfalls italienische Komödien aufgeführt
werden: am 6. Februar 1628 heiratet Gräfin Maria Bianca d’Arco, eine Hofdame der
Kaiserin, Freiherrn Hans von Breuner, und am 22. Februar eine andere Hofdame,
Gräfin Margaretha Magdalena von Porcia, den Grafen Johann Oktavian Kinsky.
Im Frühjahr 1628 engagiert der kaiserliche Hof weitere fünf Komödianten aus
Mantua, unter welchen der bereits 14 Jahre zuvor als Prinzipal der Comici Accesi in
der Stadt gewesene, nun als Frittellino auftretende Pier Maria Cecchini und der den
Finocchio interpretierende Paolo Zanotti identifiziert werden können.310 Ende Mai
schreibt Cäcilia Renata wieder an ihren Bruder, sie habe zwei so lustige Komödien
gesehen, dass ihr der Kopf vor Lachen weh getan hätte.
308 Schindler: Sonst ist es lustig alhie, p. 619.
309 Unter der Bezeichnung Capitan Spaventa da Vall’Inferno wird diese Maske auch häufig als Deutscher
mit entsprechendem Kauderwelsch charaktierisiert.
310 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert. Tutzing 1988, S. 166, 603. –
Schindler: Mio compadre Imperatore, S. 60. – Schindler: Sonst ist es lustig alhie, S. 637f.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549