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151Italienische
Truppen in Österreich und Böhmen
Im Februar 1652 bieten die Minoriten wieder eine von ihnen selbst gespielte Thea-
teraufführung, von der Kardinal Harrach laut seinem Tagebuch die jungen Liebha-
ber (offenkundig von den Mönchen überzeugend interpretiert), der schlaue Diener
Zanni und die Gestalt des Pantalone im Gedächtnis bleiben.313 Erst für den Februar
1661 ist wieder eine derartige Faschingsveranstaltung im Minoritenkloster nach-
weisbar, eine italienische Komödie mit dem Titel Cornelius e Bonifacius.
Ebenfalls im Februar 1652 führen Amateure im Haus von Vilím Albrecht Kra-
kovský Graf Kolovrat, vermutlich in seinem Palais in der Loretogasse (Loretánská
ulička), eine italienische Komödie auf.
1659 und 1660 gastiert in Prag eine bisher nicht identifizierte Gruppe italieni-
scher Schauspieler, die in den Pausen der von adeligen Amateuren aufgeführten Ko-
mödien Zwischenspiele darbieten. So z.B. am Ende des Faschings 1659 während
eines Stücks über die Heilige Genoveva im Palais des Grafen Max Martinic, und
im Februar 1660 im Rahmen eines Stücks über den englischen König Jovianus im
Palais der Fürsten Eggenberg in Prag.
Wie sehr die Figuren der Commedia dell’arte bereits in die Theaterpraxis Mit-
teleuropas eingegangen sind, illustriert die Aufführung einer deutschen Überset-
zung von Francesco Sbarras La Moda im September 1660 in Prag, vermutlich im
Palais der Familie Martinic: Der Bearbeiter hat den allegorischen Figuren eine ko-
mische Maske namens Burlachin hinzugefügt, von der Kardinal Harrach bei einer
zweiten Aufführung im Oktober 1660 ganz begeistert ist.314
Während die Nachrichten von Theateraufführungen am kaiserlichen Hof ab
1660 immer häufiger von vollständig durchkomponierten Festveranstaltungen
berichten, in deren Zentrum zunehmend das Musiktheater steht, ist am Hof von
Innsbruck in den Sommern 1653 und 1654 eine Commedia dell’arte-Truppe un-
Wien und kommt 1606 auf das Jesuitenkolleg in Neuhaus, in Böhmen. Ab 1617 studiert er Philosophie in
Rom, wo er auch seine theologischen Studien am St. Apollinar-Kollegium abschließt. Mit 24 Jahren 1622
zum Priester geweiht, wird er Domherr in Trient und Kämmerer von Papst Gregor XI. Schon 1623 wird
er von Urban VIII. zum Erzbischof von Prag geweiht und 1626 zum Kardinal ernannt. Ernst Adalbert
von Harrach setzt sich nachdrücklich für die katholische Gegenreformation in Böhmen ein und weiht
1628 die zum Gedächtnis des Sieges der kaiserlichen Truppen am Weißen Berg errichtete Kirche St.
Maria de Victoria in Prag. Er ist während der folgenden Jahrzehnte aktiv in die Politik des Kaisers und
des Papstes eingebunden und vertritt dabei sowohl die Interessen der katholischen Kirche als auch jene
der Familie Habsburg. Er stirbt am 1. September 1667 und wird im Prager Dom beigesetzt.
313 Alessandro Catalano: L’arrivo di Francesco Sbarra in Europa centrale e la mediazione del cardinale Ernst Adal-
bert von Harrach. In: Brigitte Marschall (Hg.): Theater am Hof und für das Volk. Beiträge zur vergleichenden
Theater- und Kulturgeschichte. Wien 2002 (= Maske und Kothurn 48.2002), S. 203–213; hier S. 207.
314 In einem undatierten Brief an seinen Bruder Franz Albrecht von Harrach; Österreichisches Staatsarchiv,
Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien, Gräfl. Harrach’sches Familienarchiv, Fasz. 442, und Österreichi-
sches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien, Gräfl. Harrach’sches Familienarchiv, Hs. 309.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549