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Die italienische
Improvisationskomödie156
Ballhaus in der Himmelpfortgasse, das, obwohl er es für sechs Jahre pachtet, 1708
von Prinz Eugen von Savoyen gekauft und für die Errichtung seines Winterpalais
abgetragen wird. Calderoni stirbt kurz darauf im Alter von 65 Jahren.
Ab 1697 tritt in Prag und Brünn immer wieder die Truppe des venezianischen
Komödianten Sebastiano di Scio auf, der mit seiner Ehefrau auf akrobatische Kunst-
stücke spezialisiert ist.328 1702 und 1705 in Wien bietet er neben den bekannten
Stegreifkomödien, die offenbar zunehmend auf Deutsch gespielt werden,329 auch
Marionettentheater und verkauft seine spektakulären Wunderheilmittel.330 Scio tritt
in der Folge vermutlich auch in dem von Francesco Maria Pecori 1709 eröffneten
Kärntnertortheater auf.
Im Februar 1713 finden sich Hinweise auf vermutlich italienische Improvisa-
tionskomödien in den Zeremonialprotokollen: „Sabbati, 15. Februaris. Policionello
spill […]“ und „Solis, 26. Februaris: Comedia burlesca. Auff dem saal vor dem com-
medi hauß […]“.331
1716 sucht Agostino Carbonese aus Venedig bei den Behörden um die Erlaubnis
an, in der Leopoldstadt, einem Vorort im Nordosten von Wien, Commedia dell’arte
spielen zu dürfen, was ihm zunächst auf Betreiben der deutschsprachigen Thea-
terdirektoren verweigert wird. Er scheint sich daraufhin mit Tourneen durch die
Vorstädte zu behelfen, wodurch er immer anderen Vorschriften unterliegt.332 1718
schließlich kommt es zu einem Kompromiss zwischen deutschsprachigen und ita-
lienischen Komödianten, der abwechselnde Spielzeiten der jeweiligen Truppen im
Kärntnertortheater vorsieht.333 Der als Zaccagnino Neapolitano auftretende Ferdi-
nando Danese – möglicherweise ein Nachkomme des erwähnten Giovanni Tom-
maso Danese – erregt auch die Aufmerksamkeit des Hofes und wird mit dem Titel
eines kaiserlichen Komödianten und Prinzipals der Welischen Comoedianten-Banda
belohnt.334 Daneses Truppe, die vertraglich für die Wünsche des Hofes bereitzu-
stehen hat, spielt im Fasching 1722 einige Aufführungen vor dem Kaiser, wird aber
328 Adolf Scherl: Berufstheater in Prag 1680–1739. Wien 1999, S. 22f.
329 Schindler: Mio compadre Imperatore, S. 93.
330 Vgl. Martin Frolowitz: Sebastian di Scio detto Arlecchino: Zur Personalunion von Arzt und komischer
Maske im 17. und 18. Jahrhundert. In: Gerda Baumbach / Martina Hädge (Hg.): Theaterkunst & Heil-
kunst: Studien zu Theater und Anthropologie. Köln / Weimar / Wien 2002, S. 97–128.
331 J. Atzmannstorfer / A. Christian / H. Körbl / R. Starch / B. Weisskopf / D. Weltin: Much of the same?
Das Leben am Hof im Spiegel der Zeremonialprotokolle (1652–1800). In: Irmgard Pangerl / Martin
Scheutz / Thomas Winkelbauer (Hg.): Der Wiener Hof im Spiegel der Zeremonialprotokolle (1652–
1800). Eine Annäherung. Innsbruck / Wien / Bozen 2007 S. 229–253; hier S. 238.
332 Hadamowsky: Wien. Theatergeschichte, S. 183f.
333 Hadamowsky: Wien. Theatergeschichte, S. 183f.
334 Hadamowsky: Wien. Theatergeschichte, S. 186.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549