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Die italienische
Improvisationskomödie176
Zum Teil überschneiden sich diese Rezeptionslinien, wie das Beispiel von Calderón
de la Barcas El alcaide de sí mismo (1651) zeigt: Das Stück kommt in französischer und
italienischer Version387 nach Wien und erobert sich einen fixen Platz in den Reper-
toires der Wandertruppen.388 Eine französische Bearbeitung von Paul Scarron unter
dem Titel Le gardien de soy-même (1655) dient Heinrich Hintze als Vorlage für seine
1680 in Hamburg mit der Musik von Johann Wolfgang Franck aufgeführte Komö-
die Sein selbst Gefangener. Deren italienische Fassung von Lodovico Adimari wird
1681 und 1697 in Florenz gedruckt und als musikalische Kompilation im Februar
1702 am Wiener Kaiserhof aufgeführt:389
IL CARCERIERE| DI SE MEDESIMO.| DRAMA PER MVSICA.| Del
Sr. Caualier Addimari|Fiorentino.| ALL’AVGVSTISSIME| MAESTA‘|
CESAREE,| Nel Carneuale,| L’Anno M. DCC II.| Posto in Musica da diuersi
Signori|Virtuosi di S. M. C.| Con l’Arie per li Balletti del S.r Gio:| Gioseffo Hoffer,
Violinista| di S. M. C.| VIENNA d’AVSTRIA,| Appresso Susanna Cristina Cos-
merouin, Ve-|doua di Matteo Cosmerouio, Stampatore| di S. M. C.
Unter den handelnden Personen der musikalischen Komödie von Adimari findet
sich auch eine ohne Zweifel von den Masken der Commedia dell’arte abgeleitete
Figur: D. Girone, nobile Soldato di Gaeta faceto,390 der eine aus dem wichtigen Mi-
litärhafen des Königreichs Neapel stammende Variante des Capitano Spaventa dar-
stellt. Wie dieser ist er in Wahrheit ein prahlsüchtiger Feigling, der sich völlig frei
erfundener Taten rühmt, sich die Tugenden von Aeneas zuschreibt und sich zu guter
387 Vgl. Alberto Martino: Il Lazarillo de Tormes e la sua ricezione in Europa (1554–1753). 2 Bde. Pisa / Rom
1999, Bd. II, S. 341–348; außerdem Andrea Sommer-Mathis: Las relaciones teatrales entre las dos ramas
de la Casa de Austria en el Barroco. In: José M. Díez Borque / Karl F. Rudolf (Hg.): Barroco español y
austríaco: Fiesta y teatro en la Corte de los Habsburgo y los Austrias. Madrid 1994, S. 41–57.
388 Vgl. Johannes Bolte: Von Wanderkomödianten und Handwerkerspielen des 17. und 18. Jahrhunderts.
In: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften. Jg. 1934. Philosophisch-historische
Klasse. Berlin 1934, S. 446–487. – Martin Franzbach: Untersuchungen zum Theater Calderóns in der eu-
ropäischen Literatur vor der Romantik. München 1974, S. 172. – Reinhart Meyer: Bibliographia dramatica
et dramaticorum. 2. Abteilung. Einzeltitel. Band 1 (1700). Tübingen 1993, S. 222–223. – Alberto Martino:
Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum. Ergänzungen und Berichtigungen zu Frank-Rutger
Hausmanns Bibliographie. Amsterdam 1994, S. 24f. – Alfred Noe: Die Rezeption spanischer Dramen am
Wiener Kaiserhof des 17. Jahrhunderts. Versuch einer Bilanz. In: Daphnis 30 (2001), S. 159–218.
389 Im Druck wird Simone Pietro Levassori als Komponist der Ballettmusik des dritten Aktes genannt. Die
von Joseph Triller angefertigte Übersetzung trägt den Titel: Der sein selbst eigene Kerckermeister. Zu
einer kurtzweiligen Faßnachts=Vnterhaltung Denen Röm. Kayserl. Mayestätten/ Welsch gesungener
vorgestellt Mit der Music zu denen Worten/ Von vnderschiedlichen Kayserlichen Compositorn. Zu de-
nen Täntzen/ Herrn Johann Joseph Hoffer/ der Röm. Kays. May. Cammer=Musici.
390 In der deutschen Übersetzung: Don Girone, ein Adelicher gespässiger Soldat von Gaeta.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549