Seite - 207 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 207 -
Text der Seite - 207 -
207Die
literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock
Textsorten, welche sowohl der Heranbildung künftiger Entscheidungsträger als
auch dem nach außen wirkenden Prestige dienen, das sich aus einer exemplarischen
Beherrschung dieser Disziplinen herleitet.
An diesen Leserkreis wenden sich der aus Moggio Udinese stammende Ro-
dolfo Rodolfi mit seinem Trattato, regole et ordini della disciplina militare (Wien
1658), Giuseppe Priami di Rovorat, Oberst im kaiserlichen Heer, der in seinem
durch Länderwappen und einem großen Plan von Prag mit deutscher Legende
ergänzten Discorso fatto circa le necessità del fortificar de stati, ò Confini, specialmente
del Regno di Bohemia. […] Corretto e ristampato (Prag 1667) allgemeine strategische
Überlegungen anstellt, und auch Leandro Anguissola (1653–1720), der in seinem
Il soldato instruito nelle cose attinenti all’ingegnero, cioè nell’aritmetica, geometria, e tri-
gonometria prattica insieme con l’architettura militare (Wien 1680) berufsspezifische
Fragestellungen behandelt.
Der aus Parma stammende Anguissola tritt 1680 in kaiserliche Dienste und wird
1682 zum Unteringenieur und 1685 zum Hauptmann befördert. Von ihm sind zwei
graphische Darstellungen der Türkenbelagerung überliefert: Vienna da Turchi assediata
e da Christiani liberata (Radierung, 24 x 34 cm) und Castramentatio Turcarum Exercitus
ante Viennam anno Christi 1683 (Kupferstich, 28 x 29 cm). Anguissola reicht 1688 ein
Projekt für die Neugestaltung des Nußdorfer Kanals ein, um die ungehinderte Befah-
rung des Leopoldstädter Donauarmes, der für die Versorgung der Stadt unverzichtbar
ist, zu garantieren.430 1701 zum Oberstleutnant und 1706 zum Oberingenieur ernannt,
bereist er die Kronländer, um die Festungsanlagen von Ofen, Brünn, Olmütz und
Graz zu überprüfen. Anguissola veröffentlicht u.a. auch 1706 einen Plan für den von
Giangiacomo Marinoni (1676 –1755) entworfenen Linienwall rund um Wien. Er stirbt
1720 als Direktor der 1717 von Prinz Eugen initiierten Ingenieursakademie in Wien.
Sein Nachfolger wird der aus Udine stammende Marinoni.
Für eine wichtige soziale Kommunikationsform innerhalb der mehrsprachigen
Adels- und Funktionärsschicht möchte Theodor Albmair mit seinem auch in Flo-
renz veröffentlichten Briefsteller Ragguaglio d’ogni sorte di lettere. Composte, e messe in
luce con purità di lingua Toscana (1679) praktische Unterstützung bieten.431 Der aus
Tirol stammende Albmair, ehemaliger Sekretär bei Kaiser Ferdinand III., bietet in
seinem dem kaiserlichen Hofrat Johann Ferdinand Albrecht gewidmeten Handbuch
Briefe zu den wichtigsten Themenbereichen des sozialen Kontakts (Avisare ò vero
Ragguagliare, Condoglianza, Consolatione, Congratulatione, Complimento, Raccomandare,
430 Konrad Jekl: Die Italiener in Wien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Diss. Wien 1953, S. 15.
431 1668 erscheinen auch Albmairs I quattro elementi spiegati in venticinque discorsi, nei quali si ragiona delle cose
principali che nascono in essi in Florenz.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549