Seite - 217 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 217 -
Text der Seite - 217 -
217Die
Funktion der kaiserlichen Hofdichter
Max Fehr,452 Franz Hadamowsky,453 Nora Hiltl454 und Herbert Seifert.455
Aus den dort teilweise kommentierten Verzeichnissen ist zu entnehmen, dass vor
allem italienische Stegreifkomödien, musikalische Komödien,456 Tragicomedie in
Musica, öffentliche Staatsaktionen und Kammerfeste zu Geburtstagsfeiern u.ä. zur
Aufführung gelangen. Diese Veranstaltungen sind meist in gleicher Weise höfisches
Fest, künstlerische Aussage in Text und Musik sowie politische Demonstration ei-
nes Staatsgebildes, dessen Grundlagen in der Handlung des Werkes thematisiert
und dessen Vertreter zu Beginn und Ende des Textes häufig explizit angespro-
chen werden. Eine nicht zufällige komplementäre Funktion von Hoftheater und
Hofzeremoniell als zwei Säulen eines Darstellungssystems kann bereits in Bezug auf
die Regierungszeit von Karl V. von der Forschung ausgemacht werden:
Im Hofzeremoniell drückt sich eine Art historisch verbürgter Gebärdenspra-
che aus. Gebärde und Kostüm sind im Hofzeremoniell in ihrer historischen
Wirklichkeit zu fassen – ähnlich wie im Theater. Dieses ,ähnlich‘ besteht, ganz
einfach ausgedrückt, in der Tatsache, daß jedes Zeremoniell, jede Liturgie der
Ebene der zufälligen, inartikulierten Realität enthoben ist wie das Theater. Ist
diese Überlegung stichhaltig, so sind Hofzeremoniell und Theater nicht nur ei-
nander ähnlich, sie sind auch miteinander wesenhaft verwandt. Der Mensch, als
König verwandelt sich durch seine Rolle, ähnlich der Verwandlung, der sich der
Schauspieler im Theater unterwirft. Und gebunden durch die Rolle – Wort und
Gebärde –, die ihnen aufgetragen ist, sind sie wohl beide auch.457
Die Vereinigung von politisch-philosophischen Themen im Libretto, affekti-
ver Ausdrucksmittel in der Musik, visueller Unterhaltung beim Ballett, dekorati-
vem Glanz in der Bühnenausstattung und devoter Panegyrik in symbolträchtigen
Schlussszenen machen die Hofoper natürlich zum überzeugendsten Ausdrucksmit-
tel dieser weit über das eigentliche Fest hinausgehenden Repräsentationsabsicht.
452 Max Fehr: Apostolo Zeno und seine Reform des Operntextes. Ein Beitrag zur Geschichte des Librettos.
Zürich 1912.
453 Franz Hadamovsky: Barocktheater am Wiener Kaiserhof. Mit einem Spielplan (1625–1740). (Jahrbuch
der Gesellschaft für Wiener Theaterforschung Nr. 7, 1951–52) Wien 1955, S. 7–117.
454 Nora Hiltl: Die Oper am Hofe Kaiser Leopolds I. mit besonderer Berücksichtigung der Tätigkeit von
Minato und Draghi. Diss. Wien 1974.
455 Herbert Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert. Tutzing 1985.
456 Deren erste in Wien 1625 belegt ist; vgl. Herbert Seifert: Die Comoedie der Hof=Musici 1625: Die erste
Oper in Wien? In: Studien zur Musikwissenschaft 42 (1993), S. 77–88.
457 Michael de Ferdinandy: Die theatralische Bedeutung des spanischen Hofzeremoniells Kaiser Karls V. In:
Archiv für Kulturgeschichte 47 (1965), S. 306–320; hier S. 306.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549