Seite - 229 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 229 -
Text der Seite - 229 -
229Geistliche
Musikdramen und Oratorien
(La verità raminga, 1650; La moda, 1652; La tirannide dell’interesse, 1653) über eine Zu-
sammenarbeit mit Antonio Cesti (1623–69) in Venedig (Alessandro vincitor di se stesso,
1651) und die Empfehlung von Kardinal Ernst Adalbert von Harrach481 zunächst 1659
als Hofdichter nach Innsbruck, wo noch im selben Jahr seine komische Oper Venere
cacciatrice in der Vertonung von Cesti aufgeführt wird.482 Nach dem Tod seines ers-
ten Dienstgebers, Erzherzog Ferdinand Karl, 1662 arbeitet Sbarra für dessen Bruder
und Nachfolger Sigmund Franz, um dann kurz vor dessen Tod 1665 an den Kaiserhof
gerufen zu werden, wo er als Poeta cesareo und kaiserlicher Rat sogar zum Mitglied
der Geheimen Ratskammer aufsteigt. Wenige Tage vor der Aufführung seines größten
geistlichen Musikdramas, Il Lutto dell’Universo, stirbt Sbarra am 20. März 1668.
Vermutlich am Gründonnerstag (2. April) des Jahres 1665 wird Sbarras Limbo
disserrato. Azione sacra mit der Musik von Pietro Andrea Ziani vor dem Hl. Grab in
der Kapelle Eleonoras gegeben, am darauf folgenden Karfreitag schließlich in der
Hofburgkapelle sein L’Inferno deluso nella Morte di Giesu Christo nostro Signore in der
Vertonung von Antonio Bertali.
Das von Bertali vertonte, anonyme Oratorium La strage degl’innocenti wird eben-
falls 1665 gespielt, auf Grund des Themas wohl am ehesten im Advent, in der Kapelle
Eleonoras, ebenso wie Il Santissimo Natale im darauffolgenden Jahr. In den beiden von
Testo (dem Erzähler) und Choro umrahmten Teilen von La strage degl’innocenti treibt
ein vor Wut rasender Erode seine drei Consiglieri dazu, die von ihm erahnte Bedro-
hung seiner Herrschaft durch eine Ermordung aller Kleinkinder abzuwenden. Den
vorsichtigen Einwand des Terzo Consigliere, dass gegen die himmlischen Mächte
nicht angekämpft werden könne, wertet er schon als Hochverrat. Im zweiten Teil kla-
gen dann drei Mütter über das ungerechte Schicksal, das ihnen derart grausam ihre
Kinder raubt und beschwören den Zorn des Himmels auf das Haupt des verhassten
Tyrannen. Der Schlusschor begleitet das Massaker im feierlichen Ton einer Sentenz:
Cadete pur cadete
pargoletti innocenti
con sanguigni torrenti
de l’empio Herode
ad amorzar la sete.
Che per renderlo esangue
481 Vgl. Alessandro Catalano: L’arrivo di Francesco Sbarra in Europa Centrale e la mediazione del cardinale
Ernst Adalbert von Harrach. In: B. Marschall (Hg.): Theater am Hof und für das Volk. Beiträge zur
vergleichenden Theater- und Kulturgeschichte. (= Maske und Kothurn 48.1–4) Wien 2002, S. 203–213.
482 Walter Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Innsbruck 1954, S. 256–292.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549