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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock240
von Sances aufgeführt. Die aus politischer Analyse und theologischen Debatten ab-
geleiteten allegorischen Figuren diskutieren darin das in den Evangelien überlieferte
ungerechte Urteil von Pilatus. Schließlich triumphieren La Verità Evangelica und La
Pietà Catolica über die negativen Ansichten von Il Malvagio Interesse Politico, Il cieco
Furor Plebeo und L’Ostinatione Giudaica, beseitigen die Zweifel von Il Pentimento
inutile, sodass La Verità Istorica und Il Pentimento fruttuoso begleitet von 2. Angeli di
Pace letztlich die Richtigkeit der Inhalte des katholischen Glaubens bestätigen.
Am 8. April 1676 stirbt Kaiserin Claudia Felicitas. Am 9. April 1677 wird das am
Wiener Kaiserhof am häufigsten gespielte Oratorium, Minatos L’amor della reden-
tione, in der Vertonung von Leopold I. erstmals in der Kapelle der Kaiserin-Witwe
dargeboten. In diesem Jahr fällt beinahe auf den Jahrestag des Todes von Claudia
Felicitas das Fest der sieben Schmerzen Mariä (Freitag nach dem Passionssonntag),
was der im Untertitel angekündigten inhaltlichen Ausrichtung entspricht: Oratorio
Sopra li sette maggiori Dolori della Beatissima Vergine. In einem von Testo umrahmten
Gespräch erläutern in sehr statischer Weise Giesù und La B. Vergine mit den ihnen
assistierenden Figuren L’Amor Materno und Il Dolore den Sinn der Passion, wel-
cher schließlich in der Verkörperung von L’Amor della Redentione den tröstenden
Schluss und die Überwindung der Schmerzen bringt. Dieses Werk wird in den fol-
genden 55 Jahren insgesamt 26 Mal immer (mit Ausnahme von 1680) am Fest der
sieben Schmerzen Mariä wiederholt.498
Am Gründonnerstag, den 15. April 1677, wird vor dem Hl. Grab in der Kapelle
Eleonoras Minatos Le cinque piaghe di Cristo. Rappresentatione sacra mit der Musik von
Draghi gespielt. Die darin auftretenden biblischen Gestalten (La Beatissima Vergine
– Maria Maddalena – S. Pietro – S. Giovanni – Gioseffo d’Arimatia – Nicodemo)
salben der Reihe nach die Wunden des Leichnams Christi und erläutern die symbo-
lische Kraft, welche von ihnen ausgehen wird. Am Karfreitag folgt in der Hofburg-
kapelle Minatos L’infinità impicciolita. Rappresentatione sacra in der Vertonung von
Johann Heinrich Schmelzer. In diesem wieder außerordentlich philosophischen Li-
bretto verbleibt die Unendlichkeit in den Erläuterungen der allegorischen Figuren
(L’Infinità – La Resipiscenza – Il Rimorso) in einer in Raum und Zeit beschränkten
Dimension im Verhältnis zum Wunsch nach ewigem Leben (Il Desiderio della Vita
Eterna), welches der durch Glaube (Il Dono della Fede) und Buße (Il Dono della
Penitenza) bekehrten Menschheit (L’Humanità, Peccatrice pentita) von den Engeln
verkündet wird.
498 1678, 1679, 1680, 1682, 1683, 1684, 1685, 1686, 1687, 1688, 1689, 1690, 1693, 1694, 1695, 1696, 1698,
1700, 1701, 1702, 1703, 1704, 1705, 1706, 1719 und 1733.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549