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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock248
Quantitativ spielen daher die neuen Werke ab diesem Zeitpunkt eine deutlich un-
tergeordnete Rolle, was schon eine statistische Untersuchung der Aufführungen
von Minatos Werken am Hof zeigt: während in dem Zeitraum 1670–1686 den
27 uraufgeführten Stücken nur 16 Wiederholungen gegenüber stehen, kehrt sich
dieses Verhältnis in den Jahren 1687–1698 (dem Todesjahr Minatos) auf 11 zu 19
um.
So zeichnet sich bereits die Fastenzeit 1687 durch systematische Wiederholungen
aus, unter welchen lediglich am 15. Februar das Oratorium Entrata di Cristo nel deserto,
als Fortsetzung des Zyklus der „Anima devota“ (vermutlich Leopold I.) von 1683, in
der Vertonung von Draghi heraussticht. Die Fastenzeit 1688 bringt dann den dritten
Teil dieser Reihe mit dem Titel L’uscita di Cristo dal deserto, sowie als einzige Urauffüh-
rung am Karfreitag, den 16. April, Minatos La vita nella morte. Rappresentatione sacra
mit der Musik von Draghi und Leopold I. vor dem Hl. Grab in der Hofburgkapelle. In
einer ungewöhnlich reichhaltigen Besetzung mit allegorischen Figuren wird darin das
zu Mühsal (La Fatica) und Tod (La Morte) verdammte und von der Sünde (Il Peccato)
versklavte Menschengeschlecht (L’Humanità schiava del Peccato) durch die Hoffnung
(La Speranza in Dio) und die göttliche Liebe (L’Amor Divino) befreit und zum ewi-
gen Leben geführt. Diese Befreiung vollzieht sich am Beispiel der Seele des guten
Schächers am Kreuz (L’Anima del Buon Ladrone) und der Ureltern (Adamo e Eva,
liberati dal Limbo), die nun vom Wächterengel (L’Angelo, che con Spada di Fuoco
custodiva il Paradiso Terrestre) ins Paradies geleitet werden.
In der Fastenzeit 1689 werden zwei neue Werke gespielt: Erstens in der
Hofburgkapelle das Oratorium Le glorie del nome di Giesu von Giovanni Battista Fi-
lippo Luti mit der Musik von Giuseppe Fabrini († 1708); der biographisch kaum
dokumentierte Autor stammt laut Angaben auf einem späteren Titelblatt (Mus. Hs.
17.660) aus Siena und bezeichnet sich als „Predicatore di Sua Maestà Cesarea“. Wei-
ters Minatos Le cinque vergini prudenti. Oratorio in der Vertonung von Draghi an
einem außergewöhnlichen Aufführungsort, nämlich in der Kammer von Kaiserin
Eleonore Magdalena Theresia, was bemerkenswert scheint, weil sie offenkundig an
die Tradition der verstorbenen Eleonora anzuschließen versucht. Auch das Thema
scheint attraktiv: Minato setzt hier szenisch das Gleichnis der zehn Jungfrauen, die
in Erwartung des Brautpaares Wache halten (Mt 25.1–13), szenisch um, wobei er
es auf die fünf klugen Jungfrauen (Le Cinque Vergini Prudenti. Pa. 2a. 3a. 4a. 5a.)
und den Bräutigam in Begleitung seiner stummen Braut (Lo Sposo, con la Sposa,
laquale non s’introduce à parlare) beschränkt. Minatos Version dieser biblischen Pa-
rabel findet auch außerhalb des Hofes Anklang, wie eine Aufführung in der Kirche
St. Josef des Ordens Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel in Wien während der
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549