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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock264
steht.522 Aus den Berichten Rasis an den Herzog und an seinen Freund Galileo Gali-
lei geht hervor, dass er vor dem Kaiser mit einem allerdings nicht spezifizierten Re-
pertoire aufgetreten ist. Man kann jedoch davon ausgehen, dass der Interpret der Ti-
telfigur in der Uraufführung von Claudio Monteverdis L’Orfeo auf ein Libretto von
Alessandro Striggio (1573–1630) am 24. Februar 1607 in Mantua vor dem Hof in
Prag einige Arien aus diesem Werk dargeboten hat. Beim Abschied bekommt jeden-
falls Rasi vom Kaiser die damals übliche Anerkennung für geschätzte Künstler, eine
Goldkette mit einer das Porträt des Herrschers tragenden Medaille, als Geschenk.523
Auf der Heimreise nach Mantua vermag Rasi außerdem Marcus Sitticus von Hohen-
ems (1574–1619), den kunstliebenden und repräsentationsfreudigen Erzbischof von
Salzburg, von den Reizen des eben in Italien aufkeimenden Musiktheaters derart zu
überzeugen, dass dieser aus Mantua Bühnentechniker anfordert, um einen eigenen
Theaterbetrieb ins Leben zu rufen. In welchem Ausmaß dieser Einfluss aus Mantua
für die Rezeption des italienischen Musiktheaters im süddeutschen Raum bedeu-
tend ist, beweist allein Tatsache, dass in Salzburg am 10. Februar 1614 Montever-
dis L’Orfeo als erste Oper nördlich der Alpen aufgeführt und in der Folge zwei Mal
im Februar 1616, je ein Mal im Januar 1617 und Februar 1618, sowie schließlich
am 16. Juli 1619 wieder aufgenommen wird, wodurch sie der zu seiner Wahl nach
Deutschland reisende Ferdinand II. sieht.
Am 1. Dezember 1616 wird eine Azione in Musica mit dem Titel Andromeda auf-
geführt, bei der es sich nach neueren Einschätzungen vermutlich um die 1610 in Bo-
logna erstmals gespielte Oper von Girolamo Giacobbi (1567–1629) auf ein Libretto
von Ridolfo Campeggi (1565–1624) handelt. Auch dieses Werk wird wieder aufge-
nommen, und zwar am 5. Februar, 29. August und 9. Oktober 1617, sowie 15. und
16. Februar 1618 und schließlich – wenn man der Argumentation von Seifert524 folgt,
dass vermutlich nur der Titel auf Il Perseo geändert wurde – am 15. November 1618.
Der Hof des Erzbischofs von Salzburg spielt in bestimmten Abschnitten des 17.
und 18. Jahrhunderts immer wieder eine wichtige Rolle für die Entwicklung des
österreichischen Musiktheaters und damit auch für die Produktion italienischer Li-
bretti, wie zwei Texte von Francesco Raffaellini im Auftrag von Johann Ernst von
Thun illustrieren: 1687 Alessandro in pietra. Dramma per musica mit der Musik von
522 Warren Kirkendale: The Court Musicians in Florence during the Principate of the Medici. Florenz 1993.
– Claudia Burattelli: Spettacoli di corte a Mantova tra Cinque e Seicento. Florenz 1999.
523 Vgl.Warren Kirkendale: Zur Biographie des ersten Orfeo Francesco Rasi. In: Ludwig Finscher (Hg.):
Claudio Monteverdi. Festschrift Reinhold Hammerstein zum 70. Geburtstag. Laaber 1986, S. 288–335.
– Herbert Seifert: Beiträge zur Frühgeschichte der Monodie in Österreich. In: Studien zur Musikwissen-
schaft 39 (1980), S. 7–33.
524 Seifert: Beiträge zur Frage nach den Komponisten, S. 15.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549