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271Die
Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts
lichkeiten im großen Festsaal der Burg gespielte Pastorale in musica als Musikthea-
ter zu werten. Auf Grund der Beschreibung dieser Aufführung in einem Brief von
Kaiserin Eleonora wird dieses Werk als La transformatione di Calisto (auch: Calisto e
Arcade) von Cesare Gonzaga († 1632) vermutlich in der Vertonung des Hofkapell-
meisters Giovanni Valentini (1582–1649) identifiziert. Der Librettist schmückt die
aus den Metamorphosen von Ovid (II., v. 401–507) bezogene Handlung um Jupi-
ters Liebesverhältnis zu Callisto und den daraus entsprungenen Sohn Arcas, der
mit seiner in eine Bärin verwandelten Mutter in den Sternenhimmel erhoben wird,
mit zwei Intermedien aus, in welchen die vier Elemente sowie die Tageszeiten dem
Göttervater ihre Aufwartung machen.
Gemeinsam mit einer nicht näher identifizierbaren Operetta in musica von Cesare
Gonzaga am 18. Februar 1629 stellt wohl Giovanni Battista Andreinis 1629 in Wien
gedruckte Version seiner fünfaktigen Compositione rappresentativa (sacra, laut Druck
in Prag 1628) La Maddalena, deren Aufführung in der Vertonung von Giovanni Va-
lentini oder Ludovico Bartolaia542 vor dem Hof als sehr wahrscheinlich gelten kann,
einen weitere Etappe in Richtung eines strukturierten Spielplanes dar. Mit dem Ziel,
in der Burg einen geeigneten Ort für künftige im Rahmen von Festveranstaltungen
stattfindende Aufführungen des Musiktheaters zu schaffen, beauftragt 1629 Kaise-
rin Eleonora den Architekten Giovanni Battista Carlone (1580/90 –1645) mit der
Errichtung des Neuen Saales, der an der Stelle der heutigen Redoutensäle errich-
tet wird und 27 x 10 Klafter (= 51 x 19 m) misst. Zu den ungewöhnlich prächtigen
Hochzeitsfeierlichkeiten des späteren Ferdinand III. mit der Infantin Maria Anna
1631 ist dieser neue Fest- und Tanzsaal fertig gestellt.
Am 27. Februar 1631 wird hier ein Ballett mit Chören und Sologesängen aufge-
führt, zu welchen Cesare Gonzaga die Texte mythologischen Inhalts verfasst und das
mit einer choreographischen Huldigung des Brautpaares endet. Am 4. März 1631 fin-
det auf dem Burgplatz das thematisch ähnlich ausgerichtete, vermutlich erste Rossballet
in Wien statt: Umrahmt von den dem Titel Il Sole, e dodici Segni del Zodiaco entspre-
chenden, vermutlich von Claudia Panta stammenden Einleitungs- und Zwischentexten
bilden die Reiter Formationen zu Ehren von Ferdinand und Maria. Am 6. März trägt
der Tenor Bernardino Pasquino Grassi eine aus 26 Strophen bestehende Canzone mit
dem Titel Orfeo vor, die mit Glückwünschen an das Brautpaar und einem Tanz der Ge-
stirne endet. Am 9. März wird im Großen Saal des Niederösterreichischen Landhauses
542 Der Komponist und Sänger Bartolaia wird vor 1600 in Mirandola geboren und stirbt an einem unbe-
kannten Ort 1641. Von ihm dürften auch literarische Werke stammen wie Le false imputationi. Comedia
(Venedig 1612), Le combattute promesse. Favola boscareccia (Venedig 1614), La ninfa cacciatrice. Favola bosca-
reccia (Venedig 1620) und La Circe maga. Favola tragicomica (Venedig 1640).
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549