Seite - 297 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 297 -
Text der Seite - 297 -
297Ballette
und Einleitungen zu Balletten
Überblick eingeleiteten Abschnitten systematisch die Situationen bei Hof, von der
Ankunft des Hofmannes, seiner ersten Bekanntschaft mit dem Fürsten und dessen
Verhalten seinen Wünschen gegenüber bis zu den Gefahren, die von Lastern aber
auch von anderen Hofleuten ausgehen. Bemerkenswert scheint an La Fortuna delle
corti, dass ausdrücklich nicht die im Zentrum des Stücks stehenden Hofleute das Bal-
lett tanzen, obwohl Entsprechendes durchaus üblich ist, sondern die Gehilfen der
Malkunst dem Publikum die fundamentale Tugend der Loyalität vor Augen führen.
Damit vermeidet der Librettist natürlich das Problem einer Rollenzuteilung für das
Idealbild: ein Mitglied der kaiserlichen Familie kann diese Figur nicht interpretie-
ren, und die realen Hofleute sollen nicht gegeneinander ausgespielt, sondern mitei-
nander eingeladen werden, dieser Idee der Fedeltà nachzustreben.
Am 30. August 1678 wird nachmittags im Augarten (laut Titelblatt: Cesareo
Giardino del Thabor) Minatos La vita ne’ morsi de’ serpenti. Introduttione ad un Bal-
letto gespielt. Dieses Libretto über tyrannische Regeln und die Folgen ihrer allzu
strikten Einhaltung beruht auf einem Bericht aus dem Kapitel 7 des zweiten Buches
der Historia naturalis von Plinius d.Ä., der berichtet, dass die gegen Schlangenbisse
immunen Psiller häufig die Abstammung ihrer Nachkommen überprüfen, indem
sie diese Schlangenbissen aussetzen. In Minatos 22 Szenen, die von exotischen Bal-
letteinlagen unterbrochen werden, droht der nordafrikanische König Psillo seiner
Frau Cleopa, sie zu verstoßen, falls sie keinen Thronfolger zur Welt bringe. Um
dies abzuwenden, vertauscht die Königin ihre Tochter gegen den gleichzeitig ge-
borenen Sohn ihrer fremdländischen Freundin Micenia (Vedoua, Regina d’Oran,
scacciata dal Regno). Psillo beginnt jedoch Jahre später auf Grund eines Traumes
an der Abstammung seines vorgeblichen Sohnes zu zweifeln und möchte ihn nun
der Schlangenbissprobe aussetzen. Daraufhin wird der Kindertausch aufgeklärt und
versöhnlich rückgängig gemacht. Diese Verwirrungen auf der Ebene der tragenden
Figuren werden nach den Prinzipien der venezianischen Oper auf der Dienerebene
durch die Konflikte zwischen der verrückten Amme des Sohnes (Sadir, Nodrice di
Almassur, Impazzita) und einem närrischen Diener (Algor, seruo di Corte) variiert
und karikiert.
Für den Fasching 1679 wählt Minato mit L’ossequio di Flora. Introduttione ad un
balletto wieder ein allegorisches Thema. Zur Musik von Draghi überwindet Flora
mit Hilfe von Zefiro die Macht von Inverno und lädt zu einem Tanz der Gärtner
(Sei Giardinieri), um den Frühling zu begrüßen.
das Geburtsjahr ist ja bisher nicht ermittelt) und völlig unbekannten Minato und auf Grund der Praktiken
der venezianischen Verlagsindustrie nicht garantiert ist.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549