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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock312
wendet Pelopida schließlich die selbe List an wie bei der Eroberung, so dass am Ende
jeder zu seiner Geliebten findet. Am Ende wird Leopold I. als ein moderner Pelopida
gefeiert, welcher ebenso tüchtig im Krieg und ebenso treu in der Freundschaft ist.
Am 4. August 1695 gelangt schließlich zum Namenstag der Kaiserin im Garten
der Favorita ein ursprünglich für den 28. August 1690 im eigens errichteten Theater
auf der Bellaria geplantes Werk zur Aufführung, das damals wegen Krankheit und
Tod ihres Vaters abgesagt worden ist: Minatos La chioma di Berenice. Festa Musicale mit
der Musik von Draghi, Leopold I. und A. A. Schmelzer. In 22 Szenen573 wird ein bei
Kallimachos bzw. Catull (Carmina 66) geschildertes persönliches Opfer für den Part-
ner paraphrasiert. Als Tolomeo, Rè d’Egitto mit seinem Heer nach Asien zieht, ge-
lobt die Königin Berenice ihr Haar zu opfern, wenn er unversehrt wiederkehrt. Nach
dem Sieg Tolomeos und der Erfüllung des Gelöbnisses verschwinden aber kurze Zeit
darauf die im Venustempel aufgehängten Zöpfe Berenices. Conone erklärt, daß sie
nun als neues Sternbild am Himmel strahlen. Wie Berenice opfert auch die Kaiserin
jede persönliche Pracht für den Sieg und die Unversehrtheit ihres Gemahls.
Am 11. August 1697 wird im Garten der Favorita zum Namenstag der Kaiserin
Minatos La tirannide, abbattuta dalla virtù. Festa musicale mit der Musik von Draghi,
Leopold I. und Hoffer gespielt. In diese 30 vermutlich auf Plutarch (De virtutibus
mulierum) basierenden Szenen über weibliche Tugenden und deren Einsatz für das
Vaterland flicht der Autor neben Tänzen auch Kampf- und Sportszenen (Combat-
timento, Esercitio di lotta, Giuochi Olimpici) ein. Aristòtimo herrscht als Tyrann in
Elis (Prouincia situata nella Parte Occidentale del Peloponneso) und erlaubt seinen
Günstlingen jeden Übergriff auf seine Untertanen. Als Höhepunkt seiner Willkür
gestattet er scheinbar allen Unzufriedenen die Auswanderung, lässt aber dann trotz
einer Fürbitte der Bacchus-Priesterinnen die zur Abreise Versammelten entweder
gefangennehmen oder niedermetzeln. Eine List, die aus dem Exil einen Aufstand
vorbereitenden Männer mit Hilfe von Nachrichten ihrer Frauen in einen Hinter-
halt zu locken, wird von Megistèa mutig vereitelt. Ebenso entschlossen weist ihre
Tochter Micèa die Nachstellungen von Lucio, dem Kommandanten der Miliz, zu-
rück. Von solch tugendhaftem Verhalten angespornt, stürzen die Bewohner den Ty-
rannen, der seinen Untergang außerdem in einem Vorzeichen (ein Adler läßt einen
Stein auf das Dach seines Palasts fallen) angekündigt sieht.
Am 7. August 1698 wird unter den gleichen Umständen Minato letztes musika-
lisches Fest in der Vertonung von Draghi und Hoffer aufgeführt: Il delizioso ritiro di
573 In der Version von 1690 20 Szenen; dort fehlen auch die Gestalten des gefangenen Aristodemo und der
zur Einsamkeit neigenden Ferneida, die für zusätzliche dramatische Effekte sorgen.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549