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331Faschingsopern
diesem Zeitpunkt werden die großen Opern seltener, es werden ältere Werke wieder
aufgenommen und es folgen Jahre, in welchen man im Fasching völlig auf Musik-
theater verzichtet.
Nach einer ersten mehrjährigen Pause wird vermutlich erst am 24. Februar 1686
mit Minatos Le scioccaggini degli Psilli. Trattenimento musicale in der Vertonung von
Draghi und A. A. Schmelzer die nächste musikalische Faschingsunterhaltung in Wien
aufgeführt. Die 18 Szenen widmen sich auf der Grundlage zahlreicher antiker und
humanistischer Quellen593 dem Thema der Dummheit primitiver Menschen. In den
Rahmen des Krieges der Psilloi gegen den Südwind werden die unterschiedlichen
Dummheiten der einzelnen Figuren gesetzt und miteinander scherzhaft verwoben.
Die erste große Oper für den Fasching folgt erst wieder am 26. Februar 1688,
nämlich Minatos Tanisia. Drama per musica in drei Akten mit je zehn Szenen in sechs
Bühnenbildern von Burnacini und mit drei Balletteinlagen von D. Ventura. Das von
Draghi, Leopold I. und A. A. Schmelzer vertonte Libretto behandelt den überra-
schend ernsthaften bzw. heroischen Stoff der Standhaftigkeit einer Ehefrau nach
einer Episode aus Cassius Dio (Römische Geschichte 47.7). Die tapfere Römerin
Tanisia versteckt ihren zur Verbannung verurteilten Mann Tito Junio im Haus, wäh-
rend alle glauben, er sei geflüchtet. Bei einer Hausdurchsuchung in Abwesenheit
von Tanisia flüchtet Tito Junio, der sich von ihr verraten glaubt. Tanisia, die sich
außerdem gegen öffentliche Nachstellungen wehren muß, trifft auf ihrer Suche nach
dem verschwundenen Tito Junio auf Licinio, der diesem so ähnlich sieht, dass er
auch an seiner Stelle verhaftet wird. Am Ende werden Tanisia und Tito Junio wieder
glücklich vereint.
Am 19. Februar 1689 wird La Rosaura overo Amore figlio della gratitudine. Drama
per musica von Ottavio Malvezzi594 mit der Musik von Draghi, Leopold I. und A.
A. Schmelzer aufgeführt. Die drei Akte in drei Bühnenbildern von Burnacini mit
zwei Balletteinlagen von D. Ventura und einer von Giulio Gualtieri dirigierten
Kampfszene führen banale Liebesverwicklungen von zwei jungen Paaren vor, wel-
che durch die Komödienfiguren der Dienerin Lisetta und des dummen Alten Filone
aufgelockert werden. La Rosaura wird in der Vertonung von Carlo Agostino Badia
1692 in Innsbruck gespielt.
593 Herodot: Historien IV, 173, und Aulus Gellius: Noctes Atticae XVI, 11 für das gesamte Volk der Psilloi;
laut Angaben von Minato Plutarch für Fanace (teme, che la Luna cada), Poggio Bracciolini (Facetiae) für
Nigniaca (Crede d’esser morto), Eustachius für Callicone (Crede far molle vn vase con l’Erba), Erasmus
für Mergite (si marita, nè sà perche) und Cicero (Ad Atticum) für Accia (Non intende il sì, e ’l nò).
594 Von dem sonst kaum fassbaren Malvezzi erscheint im selben Jahr in Wien Il Telemaco overo il valore
coronato. Compositione per musica, die in der Vertonung durch Draghi und Schmelzer am 21. November
abends in einem Saal des Fuggerischen Hauses in Augsburg zum Namenstag des Kaisers gespielt wird.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549