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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock352
Wesentlich philosophischer ist Minatos am 9. Juni 1672 zum Geburtstag des Kai-
sers aufgeführtes Gli atomi d’Epicuro. Drama per musica in drei Akten mit Prolog und
Licenza in der Vertonung von Draghi und J. H. Schmelzer mit drei Balletteinla-
gen von Ventura und in acht Bühnenbildern von Burnacini. Das darin behandelte
Thema der Suche nach dem wahren Glück bezieht der Autor weitgehend aus an-
tiken Quellen, vor allem Diogenes Laertios (Geschichte der griechischen Philoso-
phie) und Epikur. Epicuro ersucht den Senat von Athen darum, in den von ihm ge-
kauften Gärten eine neue Philosophenschule eröffnen und seine Lehren vom Glück
und von der Zusammensetzung der Dinge (Atome) verbreiten zu dürfen. In diese
Verhandlungen wird das Drama um eine Liebe im Milieu der Patrizier von Athen
und Mytilene eingeflochten und durch komische Figuren (Alea, Rustica di Mitilene,
Nodrice d’Euleria – Cisselo, Seruo d’Iblisca) aufgelockert. Das Drama schließt mit
einem Ballett allegorischer Figuren am Ufer der Donau, in welchem dargestellt
wird, wie die Tugend das menschliche Glück beschützt.
Zum Geburtstag der Kaiserin am 12. Juli 1672 steht Minatos Gundeberga.
Drama per Musica in drei Akten mit Licenza und drei Balletteinlagen von Ventura
in neun Bühnenbildern von Burnacini mit der Musik von Draghi, Leopold I. und
J. H. Schmelzer auf dem Programm. Auf der Grundlage von Carlo Sigonios Histo-
riarum liber V wird die ungerechte Verdächtigung einer Ehefrau am frühmittelal-
terlichen Hof der Langobarden in Italien behandelt. Arioaldo, Herzog von Turin,
soll als Herrscher der Langobarden seinem Bruder Adaloaldo nachfolgen, den ein
mysteriöser Trank geisteskrank gemacht hat. Arioaldo hat zuvor seine Gemahlin
Gundeberga verstoßen und in einem Wald ausgesetzt, weil sie von dem in sie ver-
liebten, von ihr aber zurückgewiesenen Adalulfo des Ehebruchs bezichtigt worden
war. Gundeberga, die nichts von der ihr vorgeworfenen Schuld weiß, flieht in Män-
nerkleidern zu dem Frankenkönig Clotario und gelangt in ihrer neuen Identität zu
großem Ansehen. Der alte Vater Agilulfo verlangt nun vor Clotario, dessen Vasall
der Herzog von Turin ist, Rechenschaft für seine Tochter Gundeberga. Bei einer
dramatischen Gegenüberstellung am Hofe Clotarios wird die Unschuld Gundeber-
gas bestätigt, und sie gibt sich zu erkennen. Der Verleumder Adalulfo wird von ei-
nem entsprungenen Löwen zerfleischt.
Eine durchaus vergleichbare Thematik bestimmt Minatos am 21. November
1672 zum Geburtstag von Eleonora gespieltes Sulpitia. Drama per musica in drei
Akten mit Licenza. In neun Bühnenbildern von Burnacini und mit der Musik von
Draghi, Leopold I. und J. H. Schmelzer werden auf der Basis einer Episode aus
Valerius Maximus (Facta et dicta memorabilia VI,7,3) Herrschertugenden und Gat-
tenliebe am Beispiel von Gestalten aus dem antiken Sizilien dargestellt. In seiner
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549