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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock358
Melanta und Oleaste, werden am Ende Melanta und Oleaste glücklich vereint, Do-
risto aber wegen seiner Leichtfertigkeit gescholten. Im Schlussballett vertreiben al-
legorische Figuren vor dem Portrait der Kaiserin die schädlichen Leidenschaften.
Im Jahre 1678 wird zum ersten Mal der Geburtstag von Eleonore Magdalena
Theresia in Wien gefeiert, und zwar mit einer musiktheatralischen Aufführung, wel-
che beinahe an den Glanz von Il pomo d’oro heranreicht: Am 9. und 10. Januar wird
im Hoftheater Minatos Creso. Drama per Musica in drei Akten mit Licenza in der
Vertonung von Leopold I. und J. H. Schmelzer in 14 Bühnenbildern unter Einsatz
von neun Maschinen von Burnacini und mit vier Balletteinlagen von D. Ventura ge-
spielt. Minato demonstriert die Herrschertugenden am Beispiel eines bei Herodot
(Historien I) überlieferten Krieges zwischen dem lydischen König Creso und dem
persischen König Ciro. Der stumme Prinz Ati rettet seinen in der Schlacht vom Tod
bedrohten Vater Creso, weil er seine verlorene Sprache im entscheidenden Moment
zurückgewinnt. Als Bauer verkleidet kehrt Ati an den Hof zurück, entdeckt eine Ver-
schwörung des eifersüchtigen Fürsten Orsane und überzeugt sich von der Treue der
ihm versprochenen Elmira. Ciro lässt sich aber von keinen Fürbitten Atis und seiner
Gesandten davon abhalten, Creso auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen; nur ein
von den Göttern gesandter Regen und das Auftreten des Weisen Solon bringen ihn
zum Einlenken. Nach der Versöhnung von Creso und Ciro heiraten Ati und Elmira
sowie Eliate und Clerida; Orsane wird großmütig verziehen.
Es handelt sich dabei um eines der schönsten historischen Musikdramen von
Minato, deren Konzept er schon während seiner Tätigkeit in Venedig z.B. in Xerse
(1654) entwickelt. Das eigentliche Charakteristikum dieser historischen Libretti ist
eine kunstvolle Verflechtung von Überlieferung in der Geschichtsschreibung (im
Argomento meist mit „Quello che si ha dall’Historia“ bezeichnet) mit bühnenwirk-
samer Fiktion („Quello che si finge“). Das historische Ausgangsmaterial wird dabei
von Minato entsprechend emotional aufbereitet und mit zusätzlichen Elementen
dramatisch ausgeschmückt, wie er im Argomento von Xerse schreibt: „Per condurre
il Drama all’ultimo oggetto, che sono le nozze di Xerse con Amastre e aver modo
come tesser intrecio diletevole, si fingono li seguenti verisimili.“ Minatos dramati-
sche Paraphrasen der historiographischen Quellen konzentrieren sich erwartungs-
gemäß auf den Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen, der natürlich den
Komponisten die besten Möglichkeiten für die affektive Ausgestaltung des Textes
bietet. Diese poetische Verbindung von Geschichte und Fiktion zu – im weitesten
Sinne – rhetorischen Zwecken stellt ein genuin humanistisches Konzept dar, wel-
ches schon Francesco Petrarca in seinem unvollendeten lateinischen Versepos Africa
anwendet: Auf der Grundlage von Livius und Vergil gestaltet er die tragische Liebe
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549