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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock374
Die herausragende Stellung dieses musiktheatralischen Werkes beweisen nicht nur
die sofortige Wiederholung am 10. Oktober und die Drucklegung des Librettos mit
neun Kupferstichen von der Inszenierung. Wie schon in Il fuoco eterno custodito dalle
Vestali werden wieder acht als Attioni, et apparenze deklarierte Schaubilder von Mas-
senszenen in die Handlung eingebaut. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
wird nur noch eine dritte Aufführung mit diesem spezifischen Strukturelement aus-
gestattet sein, nämlich Minatos Il Palladio in Roma (1685).
Am 18. Juli 1682 wird zur Geburt des im Kindesalter verstorbenen Erzherzogs
Leopold Joseph in der Sala terrena der Favorita Minatos Il Monte Chimera. Tratteni-
mento Musicale in 16 Szenen mit der Musik von Giovanni Battista Pederzuoli und A.
A. Schmelzer gespielt. Sowohl im Stoff als auch im Aufwand für die Inszenierung ist
eine deutliche Abstufung gegenüber La Monarchia latina trionfante zu bemerken: Das
aus der antiken Mythologie, vermutlich ‚Apollodors Bibliothek‘, entlehnte Thema
der Beseitigung eines Monstrums und darauf folgenden Belohnung des Helden wird
am Beispiel von Bellerofonte behandelt, von welchem auf Grund einer Verleum-
dung durch eine Prinzessin deren Vater Jobate zur Sühne die Beseitigung der Chi-
mera verlangt, wobei er den sicheren Tod finden soll. Mit Hilfe von Nettuno, der
ihm das geflügelte Pferd Pegaso schickt, überwindet Bellerofonte jedoch entgegen
allen Erwartungen die Chimera und bekommt dafür Esistea, die zweite Tochter des
Königs Jobate. Mit der Hauptfigur Bellerofonte ist ohne Zweifel der eben geborene
Erzherzog Leopold Joseph gemeint; die schaurige Chimera dürfte wohl die immer
bedrohlichere Türkengefahr sein.
Kurz nach dem 18. November 1685 wird zum Anlass der Geburt von Erzherzog
Karl, dem späteren Kaiser Karl VI., in einer Kammer der Hofburg Minatos Didone
costante. Scherzo musicale in modo di scenica rappresentatione in 16 Szenen mit der Mu-
sik von Pederzuoli aufgeführt. In wesentlich bescheidenerer Form (vermutlich als
Folge der Türkenbelagerung und der Jahreszeit entsprechend) wird der Stoff der
Standhaftigkeit von Dido darin effektvoll ausgestaltet. Dido widersteht den Liebes-
bezeigungen von Jarba und Telemaco, die sich ihr beide in Frauenkleidern zu nä-
hern versuchen, bis in den selbstgewählten Tod. In der Schlussaussage wird eines des
Schlüsselwörter der künftigen Devise von Karl (Costanza e fortezza) betont: „Più
d’un Trono, più d’un Regno val Costanza, e Fedeltà.“
Am 8. Dezember 1699 wird Erzherzogin Maria Josepha, das erste Kind von Joseph
I. und Amalie Wilhelmine, geboren. Zu diesem Anlass komponiert Antonio Draghi
des Erbprinzen Joseph (1678) oder Wie legitim ist Lob und Kritik in der höfischen Panegyrik. In: Pierre
Béhar / Herbert Schneider (Hg.): Der Fürst und sein Volk. St. Ingbert 2004, S. 109–144.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549