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389Die
italienische Aufklärung in Österreich
Weltreich durch die Vereinigung nahezu aller einst dazu gehörigen Länder in
der Hand Karls VI. für den Augenblick Wirklichkeit geworden. Dieses katho-
lische Imperium, Bollwerk gegen die Türken, darum auch von den deutschen
Protestanten anerkannt und unterstützt, hatte jedoch seine Ansprüche gegenüber
Frankreich, das sich von allen Seiten durch die Habsburger umschlossen fühlte,
zu verteidigen.639
Auf der Grundlage eines ikonographischen Konzepts von Carl Gustav Heraeus
(1671–1725)640 und Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646–1716) entwirft Johann Bern-
hard Fischer von Erlach eine architektonische Darstellung des imperialen Anspruchs
von Karl VI., der sich schon in seiner Devise deutlich von dem Programm seines
Bruders und Vorgängers unterscheidet. Während Joseph I. mit dem äußerst ambi-
valenten Wahlspruch „Amore et timore“, d.h. in Liebe und Ehrfurcht vor Gott und
durch Liebe und Autorität gegenüber den Untertanen, noch seine Position als von
Gott auserwählter Herrscher zum Ausdruck bringt, gelten nun die römischen Tu-
genden der Beständigkeit und Kraft als Grundlage für die neue Staatsführung. Auf
die Karlskirche übertragen bedeutet das:
Durch Mehrfachkodierung der einzelnen Elemente Schaffung eines vielschich-
tigen, unterschiedliche programmatische Aspekte verknüpfenden Systems;
neben einem auf den Titelheiligen, seine Vita und seine Tugenden bezogenen
Programm Manifestation imperialer Ansprüche (Säulen als Anspielung auf die
Devise des Kaisers, „Constantia et fortitudine“, und auf die verlorene Herrschaft
über Spanien; gleichzeitig römisch-imperiales Motiv und Anspielung auf die Säu-
len vor dem Tempel Salomonis, Karl VI. als neuer Augustus-Salomo bzw. Frie-
denskaiser mit dem Frieden von Rastatt 1714).641
Die beiden Säulen greifen als Teil der Kirchenfassade nicht nur das Motiv der erzäh-
lenden Reliefs aus der römischen Tradition (z.B. Trajansäule in Rom) auf, sondern be-
ziehen sich auch auf das Emblem von Karl V. (die Säulen des Herkules mit der Devise
639 Friedrich W. Riedel: Kirchenmusik am Hofe Karls VI. (1711–1740). Untersuchungen zum Verhältnis
von Zeremoniell und musikalischem Stil im Barockzeitalter. München / Salzburg 1977, S. 9.
640 Der aus Schweden stammende Hofantiquar verwaltet ab 1708 die kaiserlichen Münz- und Medaillen-
sammlungen und liefert Johann Bernhard Fischer von Erlach zahlreiche Anregungen für seinen Entwurff
einer Historischen Architectur (1721). Heraeus beendet seine Karriere ziemlich unrühmlich mit ruinösen
Spekulationen im steirischen Bergbau.
641 Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler Österreichs. Wien. II. bis IX. und XX. Bezirk. Wien 1993,
S. 145f.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549