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397Die
Kontakte der italienischen Frühaufklärer zum Wiener Hof
Battista Garelli (1649–1732), war u.a Leibarzt von Leopold I.657 Er selbst bekleidet
1723–25 gemeinsam mit Alessandro Riccardi (~1660–1726)658 und danach alleine bis
zu seinem Tod die Funktion des Präfekten der Hofbibliothek. Garelli sammelt u.a.
auf einer Reise nach Kärnten und in die Steiermark einige römische Inschriften und
Skulpturenreste, welche in der Stiegenhalle der 1723–26 neu errichteten Hofbiblio-
thek angebracht werden.
Garelli und Riccardi gehören ebenso wie die Hofdichter Zeno und Pariati, deren
Wirken in den folgenden Abschnitten ausführlich gewürdigt wird, zum Kreis von
Prinz Eugen, der als Sammler und Mäzen deren Arbeiten fördert. Ebenfalls diesem
Umfeld zuzurechnen ist der aus Neapel stammende Pietro Giannone (1676–1748),
die wohl zu dieser Zeit schillerndste italienische Persönlichkeit in Wien. Giannone
veröffentlicht 1723 in seiner Heimat seine dem Kaiser gewidmete Historia Civile del
Regno di Napoli, welche ausdrücklich – daher der Titel – eine Geschichte der Gesetze
und Gebräuche der bürgerlichen und kirchlichen Einrichtungen von Neapel sein
möchte. Obwohl mit Bewilligung des österreichischen Vizekönigs gedruckt, sieht
sich Giannones Schrift den heftigen Attacken der lokalen kirchlichen Behörden aus-
gesetzt. Mit sichtlichem Stolz auf die aufklärerische Unterstützung durch den Wie-
ner Hof schreibt Landau dazu:
Kein Geschichtsschreiber hat vor Giannone mit solcher Gründlichkeit, mit
solch’ leidenschaftslosem sittlichem Ernste die Habsucht und Herrschsucht
der Geistlichkeit, ihre Uebergriffe und Missbräuche geschildert, die Rechte des
Staats gegenüber der Kirche so überzeugend und mannhaft vertheidigt wie
er.659
Auf Anraten des Vizekönigs, der einen Konflikt mit den katholischen Autoritäten
vermeiden möchte, reist Giannone im Mai 1723 über Triest nach Wien, wo er von
Gentilotti, Garelli und Riccardi freundlich empfangen wird. Vermutlich auf Betrei-
ben von Prinz Eugen und Hofkanzler Philipp Ludwig Wenzel von Sinzendorf wird
ihm eine Audienz beim Kaiser bewilligt, nach deren offenbar günstigem Verlauf Gi-
annone am 31. Oktober 1724 eine kaiserliche Pension von 1.000 Gulden jährlich
aus den Einkünften des Königreichs Sizilien zugestanden bekommt. Während der
657 Gustav von Suttner: Die Garelli. Ein Beitrag zur Culturgeschichte des XVII. und XVIII. Jahrhunderts.
Wien 1885.
658 Der aus Neapel stammende Riccardi veröffentlicht u.a. 1708 seine Ragioni del regno di Napoli nella causa de’
suoi beneficj ecclesiastici, worin er heftig gegen die römische Kurie polemisiert.
659 Landau: Die italienische Literatur, S. 33.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549