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Die italienische Aufklärung in
Österreich436
Szenenbildern von Giu. Galli Bibiena und mit drei gigantischen Balletteinlagen von
Levassori und Phillibois ein glänzendes Schauspiel geboten, dessen Kosten in der
Literatur immer wieder mit 80.000 Gulden beziffert werden. Der Aufwand muss
jedenfalls, wie aus den persönlichen Aufzeichnungen von Johann Joachim Quantz
hervorgeht,735 selbst für an die Dimensionen der Hofoper gewöhnte Mitwirkende
und Zuschauer beeindruckend gewesen sein: „4.000 Zuseher und ein Ensemble von
100 Sängern und 200 Musikern soll es gegeben haben.“736
Der um 500 v. Chr. in Mittelitalien situierte Stoff bietet, neben den zwei für die
leidenschaftliche Dramatik sorgenden Liebesketten Porsenna (amante di Valeria) –
Valeria (amante di Muzio) und Tito Tarquinio (amante di Clelia) – Clelia (amante di
Orazio) – Erminio (amante di Clelia), vor allem komplexe Allegorien auf die politische
und militärische Situation des 18. Jahrhunderts. Der Versuch des etruskischen Königs
Porsenna, für die zwei Jahre zuvor aus Rom vertriebenenen Tarquinier die Herrschaft
zurück zu gewinnen, scheitert am Widerstand der römischen Tugenden, die sich in
dem römischen Konsul Publius Valerius Publicola und in Horatius Cocles beispielhaft
manifestieren. Umrahmt von einem beinahe unüberschaubaren Aufgebot an allegori-
schen Gestalten (Der Tiber und die Genien Roms – Der Tiber und seine Nebenflüsse
– Nymphen) und an zeremoniösem Personal (Gefolge des Königs Porsenna, Priester,
Adelige, etruskische und römische Soldaten, Liktoren, Wachen, Pagen, Dienerschaft,
Seher, Volk) wird ein augusteisches Programm der römischen Tugenden vorgeführt,
das sich beispielhaft in den Tänzen widerspiegelt: Am Ende des ersten Aktes werden
im Ballo di Salii o sieno Sacerdoti di Marte con la Costanza Romana, ed il Valore degli Etru-
schi noch die Standhaftigkeit der Römer und die Tapferkeit der Etrusker gegenüber
gestellt; am Ende des zweiten Aktes übertrifft im Ballo di Aruspici Toscani, con la Fortezza
Romana, e l’Amore della Gloria die römische Macht und die Ruhmesliebe bereits die
alte Religion, und am Ende des dritten Aktes schließlich vereinigen sich im Ballo di Dei
Penati di Roma, con l’Amore della Pace, e la Publica Felicità die römischen Schutzgötter
mit der Friedensliebe und dem öffentlichen Wohl. Diese Entwicklung resümiert den
politischen Werdegang Karls VI. vom spanischen Prätendenten, der sich in den militä-
rischen Auseinandersetzungen des Erbfolgekrieges gegen Frankreich behaupten muss,
zum deutschen Friedenskaiser, der sein Wirken gemäß den Ideen der Aufklärung in
den Dienst der Staatsidee stellt. Obwohl in der Licenza der Kaiserin gehuldigt wird,
735 Herrn Johann Joachim Quantzens Lebenslauf, von ihm selbst entworfen. In: Friedrich Wilhelm Marpurg
(Hg.): Historisch-critische Beyträge zur Aufnahme der Musik. Band 1. Berlin 1755, S. 197–250; hier
S. 216.
736 Anita Mayer-Hirtzberger: Musikstadt Wien. In: Csendes / Opll (Hg.): Wien. Geschichte einer Stadt.
Band 2, S. 525–547; hier S. 528.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549