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457Pietro
Metastasio – der Hofdichter als Monument
Die Karwoche 1733 bietet mit Giuseppe riconosciuto in der Vertonung von Porsile
eine weitere Version (vgl. Zeno: Giuseppe, 1722) der Begegnung des mächtigen Jo-
seph mit seinen Brüdern, die ihn Jahre zuvor an Wanderhändler verkauft haben. An
diesem Text scheint bemerkenswert, wie Metastasio die Dramatik des Geschehens
durch eine für ihn ungewöhnliche Aufsplitterung der Verse anstrebt. Die zentrale
Stelle in dem Gespräch zwischen Giuseppe und Simeone illustriert am deutlichsten
diese Technik, die einen raschen Wechsel zwischen den Singstimmen erfordert:
SIM. Appresso al padre
Restò l’ultimo d’essi.
GIUS. E l’altro?
SIM. (Oh Dio!)
L’altro …
GIUS. Segui.
SIM. Nol so.
GIUS. (Lo so ben io). (Bd. 2, S. 612f.)
Das Werk wird in Prag 1763 mit der Musik von Antonio Ferradini (1718–79) und
1767 von Hasse vertont dargeboten, in Wien 1774 mit der Musik von Giuseppe
Bonno (1711–88) sowie im Stift Kremsmünster 1777 in der Vertonung von Georg
von Pasterwitz (1730–1803).
Das bekannteste Oratorium Metastasios ist ohne Zweifel La Betulia liberata,
erstmals während der Karwoche 1734 in der Vertonung von Reutter am Kaiserhof
aufgeführt und 1740 wiederholt. Der zeitgenössische politische Kontext (die kai-
serlichen Truppen beginnen wenige Wochen danach ihre Offensive im polnischen
Erbfolgekrieg) fördert wohl die Wahl der kriegerischen Thematik aus dem vierten
Abschnitt des Buches Judit des Alten Testaments. Gestärkt durch die Kraft des Ge-
bets, zu welchem sie die Einwohner von Betulia aufruft, vollbringt die Protagonistin,
die hier im Gegensatz zu den zahlreichen vorhergehenden Versionen am Kaiserhof
nicht im Titel genannt wird,773 ihre Heldentat und kehrt mit dem Haupt des feindli-
chen Heerführers in die Stadt zurück. Das Oratorium schließt mit einem Lobgesang
auf den christlichen Gott, der auf Seiten der Belagerten die ungläubigen Feinde be-
kämpft hat:
773 Vgl. Antonio Draghi 1668, Pietro Ottoboni 1695 und 1704, Nunzio Stampiglia 1710 und Bernardino
Maddali 1723.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549