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505Die
neuen Leidenschaften im Libretto
auch dadurch zu seinem Don Giovanni inspiriert wird, freilich nicht ohne gleichzeitig
seiner Verachtung für den Konkurrenten Ausdruck zu verleihen.
Jedenfalls bleibt Bertati während all dieser Jahre ein beim österreichischen Pu-
blikum derart angesehener Librettist für komische Opern, dass er im Juli 1791 als
Nachfolger für den in Ungnade gefallenen Da Ponte nach Wien gerufen wird.881
Sein erstes Libretto in der Funktion als kaiserlicher Theaterdichter ist Il matrimonio
segreto,882 das in der Vertonung durch Cimarosa am 7. Februar 1792 am Burgtheater
in Wien und im selben Jahr in Prag aufgeführt wird, bevor es einen langen Tri-
umphzug durch Italien beginnt.
Daran schließen für Bertati ungewöhnliche Misserfolge, wie Cimarosas Amor
rende sagace 1793 in Wien, L’incanto superato. Favola romanzesca per musica in der Ver-
tonung durch Franz Xaver Süßmayr (1766 –1803) 1793 in Wien und Prag sowie La
principessa di Amalfi mit der Musik von Joseph Weigl (1740 –1820) 1794 und 1799 in
Wien. Vermutlich bleibt Bertati bis Ende 1794 in Wien und kehrt dann wegen des
geringen Erfolges, des unwirtlichen Klimas und des von ihm wenig geschätzten Hof-
lebens nach Venedig zurück, wo er 1815 stirbt. Schon während des Karnevals 1795
wird in Venedig La bella Lauretta mit der Musik von Francesco Gardi (~1760 –~1810)
aufgeführt, während in Prag 1795 noch Il trionfo del bel sesso o sia Il Tartaro convinto in
amore in der Vertonung durch Peter von Winter (1754–1825) dargeboten wird.
Ranieri de’ Calzabigi, der für Glucks Opernreform bedeutendste Librettist, hat
sich hingegen beinahe zwanzig Jahre in Wien aufgehalten und hier seine wichtigs-
ten Werke verfasst. 1714 in Livorno geboren, als Liburno Drepanio in die Arcadia
aufgenommen, lebt Calzabigi ab 1741 mit geringem Erfolg als Librettist in Neapel.
Er geht dann nach Paris, wo er ab 1755 an einer Ausgabe der Werke Metastasios ar-
beitet, deren erster Band eine der Marquise de Pompadour gewidmete Dissertazione
su le poesie drammatiche del signor abate P. Metastasio enthält, worin er erstmals seine
Ideen für eine Reform des Musikdramas formuliert. In Paris trifft Calzabigi auf Gia-
como Casanova, mit dem er 1757 nach einem Plan seines Bruders Giovanni Antonio
Calzabigi für den Financier Joseph Paris-Duverney eine Lotterie nach italienischem
Vorbild einrichtet.883 Ab 1760 hält sich Calzabigi auf Empfehlung von Johann Karl
Philipp Graf Cobenzl (1712–70), der ihn Staatskanzler Wenzel Anton von Kaunitz-
Rietberg (1711–94) vorstellt, in Wien auf und veröffentlicht angeblich 1761 in Wien
881 Für wenige Wochen wirkt von Mai bis Juni 1791 Caterino Tommaso Mazzolà, der am sächsischen Hof
in Dresden angestellt ist, als kaiserlicher Hofdichter.
882 Nicht zu verwechseln mit Bertatis Il matrimonio per inganno, das 1773 mit der Musik von Giuseppe Gaz-
zaniga in Pavia uraufgeführt und in der Vertonung durch Pasquale Anfossi 1779 in Graz gespielt wird.
883 Casanova: Mémoires. Band II (1756–1763). Paris 1959, S. 24–35. ^
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549