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Von der Spätaufklärung zur
Frühromantik506
eine Memoria sulla sistemazione della Camera dei conti, wofür er zum Hofrat mit einer
Pension von 2.000 Gulden ernannt wird.
Durch den Hoftheaterintendanten Giacomo Durazzo (1717– 94) lernt Calzabigi
schließlich Gluck kennen, für dessen Don Juan ou Le Festin de pierre. Ballet pantomime
er 1761 ein Vorwort schreibt und damit eine äußerst erfolgreiche Zusammenarbeit
initiiert, die ihren ersten und vielleicht absoluten Höhepunkt in der Aufführung
von Orfeo ed Euridice. Azione teatrale per musica mit der Choreographie von Gasparo
Angiolini (1731–1803) in den Bühnenbildern von Giovanni Maria Quaglio (~1700–
1765) am 5. Oktober 1762 im Burgtheater erreicht. Auch wenn dieses Datum an
eine traditionell zum Namenstag des Kaisers gebotene Oper denken lässt, erwähnt
der Libretto-Druck nichts Entsprechendes, weder eine Widmung noch einen even-
tuell dahingehenden Auftrag.
Mit einer erstaunlich geringen Anzahl von drei Personen und vier Chören ge-
lingt Calzabigi eine perfekte neoklassizistische Renaissance der französischen Tragö-
die unter den Bedingungen des Melodramas, das in einer zauberhaften Umgebung
einen tragischen Inhalt mit einem glücklichen Ende bietet:
Calzabigi hat die Orpheussage in ein sehr einfaches und geradliniges Bühnen-
geschehen umgesetzt. Sein Text war ein entschiedener Schritt über alle früheren
Versuche zur Reform der Oper im 18. Jahrhundert und über die Gattungen, an
denen er noch Anteil hatte (Opera seria und Festa teatrale), hinaus; in Wien,
wo Pietro Metastasio als Hofdichter wirkte, mußte er revolutionär wirken: eine
mythologische, nicht »historische« Handlung ohne Intrigen, Nebenhandlungen
und Umwege, in der der Mythos als Versinnbildlichung elementarer menschli-
cher Erfahrungen und Situationen verstanden wurde; […]884
Innovativ ist Calzabigis Textvorlage sowohl durch die bedeutende Funktion der
Chöre, welche zur Handlung gehören und aktiv in sie eingreifen, als auch durch die
schmucklose und zugleich betont emotionale Sprache seiner Verse, die dem Drama
den Charakter einer monumentalen Nüchternheit verleiht, was der Untertitel eines
1770 in London gedruckten Librettos am treffendsten resümiert: „An Opera in the
Grecian taste.“ Zu diesem Eindruck tragen hauptsächlich Calzabigis einfache Stro-
phenformen bei, die in betont zurückhaltender Stilistik nie den Blick auf die geschil-
derten Affekte verstellen und die übliche strenge Trennung zwischen erzählendem
884 Ludwig Finscher, in: Carl Dahlhaus (Hg.): Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Bd. 2. München /
Zürich 1987, S. 434.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549