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509Die
neuen Leidenschaften im Libretto
Kaiserin-Witwe Maria Theresia zu, deren beispielhaftes Verhalten in dem Leiden
der Hauptperson um ihren Gatten Admeto gewürdigt wird. Noch mehr als für den
Librettisten wird diese Oper, die in Wien bis 1786 insgesamt 90 Mal gespielt wird,
für den Komponisten Gluck zur entscheidenden Etappe seiner Reformbestrebun-
gen, was auch das als Widmung an Großherzog Leopold I. von Toskana beigefügte
Vorwort der ersten gedruckten Partitur (Wien 1669) beweist.
Die dritte Kooperation von Calzabigi und Gluck für Paride ed Elena. Dramma per
musica, das am 3. November 1770 erstmals am Burgtheater in Wien gespielt wird,
fällt weniger erfolgreich aus, denn das Thema der Liebe wird hier an der Begegnung
des genussfreudigen Orientalen mit der sittenstrengen Griechin abgehandelt. Eine
Konzeption, die zwar die an den vorhergehenden Texten kritisierte Düsterkeit ver-
meidet: „[…] welche aber wegen ihres ungleichen und in etwas wunderlichen Gusto
nicht besondere Approbation gefunden hat.“890 Das Werk, das eigens für den Besuch
von Großherzog Leopold I. in besonders aufwändiger Inszenierung dargeboten wird,
erscheint im Gegensatz zu den vorhergehenden in Wien nur ein Mal im Druck.
Im Jahr davor verfasst Calzabigi ein bemerkenswertes Libretto, das mit der Mu-
sik von Gassmann erstmals 1769 in Wien aufgeführt wird. In L’opera seria. Commedia
per musica werden der Entstehungsprozess einer Oper und die dazu gehörige Probe
dargestellt, in welcher z.B. in einer Parodie auf die bekannte Praxis der Einlagearien
der Virtuoso Ritornello von dem Komponisten Maestro Sospiro für einen Arientext
eine neue Musik fordert:
Aber die Sonderwünsche der Sänger führen dazu, daß Dichter und Komponist
einander in die Haare geraten und aufs gröbste beschimpfen. Der eine könne nur
mit Hilfe des (verachteten) „rimario“ schreiben und der andere komponiere nur
„arie da baule“, wie die auswechselbaren Stücke genannt wurden. Die Streitig-
keiten gehen während der ganzen Opernprobe weiter und werden erst beendet,
als sich die Künstler um ihre Gage betrogen sehen und beschließen, gemeinsam
gegen den Impresario vorzugehen.891
Das Werk wird 1771 in Florenz gespielt und unter dem Titel La critica teatrale zu-
nächst mit unbekannter Musik 1771 in Turin, in neuer Vertonung durch Astarita
1775 in Venedig wieder aufgenommen.
890 Grossegger: Theater, Feste und Feiern zur Zeit Maria Theresias, S. 285.
891 Manuela Hager: Die Opernprobe als Theateraufführung. Eine Studie zum Libretto im Wien des 18.
Jahrhunderts. In: Albert Gier (Hg.): Oper als Text. Romanistische Beiträge zur Libretto-Forschung.
Heidelberg 1986, S. 101–124; hier S. 112.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549