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Von der Spätaufklärung zur
Frühromantik510
Calzabigi muss Ende der 70er Jahre Wien wegen eines Skandals um eine Schauspie-
lerin verlassen und kehrt nach Italien zurück, wo er 1795 stirbt.
Die bedeutendste Weiterführung dieser Reformideen erfährt das Opernlibretto
ohne Zweifel durch den aus Lucca stammenden Tänzer und Musiker Giovanni Gas-
tone Boccherini (1742–nach 1799), Bruder des Komponisten Luigi Boccherini und
unter dem Namen Argindo Bolimeo Mitglied der Arcadia. Boccherini, der 1761–67
als Tänzer in Wien auftritt, veröffentlicht hier 1767 Turno re de’ Rutoli. Dramma tra-
gico per musica, das vermutlich nie vertont wird, aber ein bemerkenswertes Vorwort
voll der Bewunderung für die Reform von Calzabigi enthält. Als Librettist erregt
Boccherini erstmals Aufmerksamkeit mit Le donne letterate. Comedia per musica, die in
der Vertonung durch Salieri 1770 im Burgtheater in Wien und 1773 in Prag aufge-
führt wird. Allerdings erzielen im selben Jahr weder L’amore innocente. Pastorale per
musica noch Don Chisciotte alle nozze di Gamace. Divertimento teatrale, beide mit Musik
von Salieri, wirklich Erfolg beim Publikum. Diesen erreicht Boccherini erst mit La
fiera di Venezia. Comedia per musica in drei Akten (1772 im Kleinen Redoutensaal
in Wien und in Prag, 1778 in Graz, 1782 in Esterháza und 1785–86 in Wien) und
der Parodie in drei Akten La secchia rapita. Dramma eroicomico (21. Oktober 1772 im
Burgtheater), beide mit der Musik von Salieri, sowie I rovinati. Commedia per musica
in der Vertonung von Gassmann. Boccherini, der Österreich ungefähr zur selben
Zeit wie sein großes Vorbild Calzabigi verlässt, veröffentlicht noch 1774 in Wien
eine Gedichtsammlung und liefert 1775 die Textvorlage für Haydns Il ritorno di To-
bia. Azione sacra.
Eben zu dieser Zeit kommt der 1743 in Livorno geborene Giovanni de Gamerra,
der als Librettist von Mozarts am 26. Dezember 1772 in Mailand mit großem Er-
folg aufgeführter Oper Lucio Silla hervorgetreten ist, vermutlich auf Anregung von
Metastasio als kaiserlicher Theaterdichter nach Wien und veröffentlicht hier als pa-
negyrische Verneigung Il campo di Boemia, ein Lobgedicht in Stanzen über Joseph II.
1775 wird La finta scema. Commedia per musica in der Vertonung von Salieri zwar nur
„con applauso mediocre aufgeführet“, wie Khevenhüller-Metsch anmerkt,892 aber
dennoch für einige Zeit auf dem Spielplan des Burgtheaters belassen. Es folgt 1776
Daliso e Delmita. Azione pastorale, ebenfalls mit der Musik von Salieri.
Nach ungefähr zwei bis drei Jahren, in welchen sich Gamerra in Wien ständig
durch Liebesintrigen und anderen Ungerechtigkeiten des Schicksals bedrängt fühlt,
kehrt er 1777 krank und schwer verschuldet in die Toskana zurück, wo er einer dra-
matischen Leidenschaft zu Teresa Calamai verfällt, deren Familie die Zustimmung
892 Grossegger: Theater, Feste und Feiern zur Zeit Maria Theresias, S. 335.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549