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Von der Spätaufklärung zur
Frühromantik518
Frühromantik am Horizont auf, welche die archetypische Bedrohung der Ordnung
in der alles verwirrenden Triebkraft entdecken:
In der Person Giovannis ist die Auflösung angelegt. Sein Hauptattribut des »dis-
soluto« erhielt er durch Da Pontes Dramaturgie gerade dort, wo sie das Un-
zusammenhängende unübersehbar hervorkehrte, eine reale Bedeutung, die den
vordergründig moralischen Wortsinn ( der Ausschweifende) hinter sich läßt.910
Da Ponte situiert seinen Protagonisten zwischen der Figur des unbelehrbaren Sün-
ders, der selbst die letzte Chance auf Buße und Bekehrung ausschlägt, und einem
Fall für die Psychiatrie des 19. Jahrhunderts, die einige Jahrzehnte später schranken-
lose Leidenschaft als Krankheit einstufen wird.911
Schon das Duett des ersten Opfers von Da Pontes Don Giovanni, Donna Anna,
mit ihrem Verlobten Don Ottavio bringt in der dritten Szene des ersten Aktes die
schaudernde Machtlosigkeit der in die Gesellschaft eingebetteten Menschen gegen-
über dem die etablierte Ordnung erschütternden Geschehen zum Ausdruck, denn
ihre so sicher geglaubten Affekte geraten ins Wanken:
Donna Anna: Ah! vendicar se il puoi
giura quel sangue ognor.
Don Ottavio: Lo giuro agli occhi tuoi,
lo giuro al nostro amor.
a due Che giuramento, oh dei!
che barbaro momento!
Tra cento affetti e cento
Vammi ondeggiando il cor. (v. 96 –103)912
Ebenso die Verzweiflung von Donna Elvira, der es trotz ihrer rationalen Einschät-
zung des wahren Charakters von Don Giovanni nicht gelingt, sich von ihm zu lösen:
Ah chi mi dice mai
quel barbaro dov’è,
910 Stefan Kunze, in: Carl Dahlhaus (Hg.): Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Bd.4. München / Zürich
1991, S. 319.
911 Vgl. Tony James: Dream, Creativity, and Madness in Nineteenth-Century France. Oxford 1995. – Helen
Small: Love’s Madness. Medicine, the Novel, and Female Insanity, 1800–1865. Oxford 1996.
912 Zitiert nach Gronda / Fabbri (Hg.): Libretti d’opera italiani, S. 777– 842.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549