Seite - 527 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 527 -
Text der Seite - 527 -
527Die
italienischen Reformbewegungen und Österreich
Nepomuk von Buquoy (1741–1803) oder dem Lehrbuch Dell’origine e delle vicende
dell’arte d’insegnar a parlare ai sordi muti (Wien: Ignaz Alberti 1793) des in Italien
lebenden spanischen Jesuiten Juan Andres (1740–1817).921
Es liegt nahe, dass sich der aufblühende Journalismus gerade dieser Themen an-
nimmt und sie daher auch in den italienischen Zeitungen in Wien breiten Raum
einnehmen. Nachdem die von Johann Peter Schmalz seit 1726 betriebene, aus den
1671 gegründeten Avvisi italiani bzw. Il corriere ordinario (vgl. Kapitel 2) hervorge-
gangene Zeitung Il corriere di Vienna 1746 ihr Erscheinen einstellt, entsteht eine Lü-
cke von mehr als dreißig Jahren im italienischen Journalismus in Wien. Erst 1778
gründet Pietro Madaschi seine Notizie diverse di Vienna, welche unter der neuen
Leitung von Giambattista Del Sasso bis 1789 existieren. Ein wesentlich kürzeres
Leben ist der unmittelbar nach dem Regierungsantritt Leopolds II. von Giuseppe
Lattanzi (1762–1822) gegründeten Vox populi beschieden, welche den kuriosen Un-
tertitel Aneddoti riguardanti la persona del Re trägt. Von 28. April 1790 bis 17. August
1791 erscheinen insgesamt 125 Nummern dieses auf höfische Berichterstattung
spezialisierten Blattes: „Es handelte sich praktisch um eine Privatzeitung für den
Kaiser, die die Aufgabe hatte, die Stimmung des Volkes auszuforschen und seine
Launen zu sondieren.“922 Der aus Nemi stammende Lattanzi, der 1786 vor der Ver-
folgung durch die Behörden des Kirchenstaates zu Joseph II. nach Wien geflohen
ist, beginnt 1788 seine journalistische Tätigkeit in Florenz unter dem damaligen
Großherzog Pietro Leopoldo mit seinem Giornale letterario, o sia Trionfo della verità.
Leopold II. nimmt ihn als Sekretär nach Wien mit, wo er in heftige Konflikte u.a.
mit Da Ponte gerät und die Stadt bald wieder verlassen muss, worauf er während
verschiedener politischer Wirren in Italien für geraume Zeit eine zweitrangige Rolle
spielt.
Eine wichtige Rolle innerhalb der österreichischen Reformbewegung spielen
die in Wien tätigen italienischen Naturwissenschaftler und Ärzte, da sie wesentlich
zur Umsetzung der im Kreise von Joseph II. konzipierten Strukturen eines Wohl-
fahrtsstaates beitragen. Neben dem nur kurzen Aufenthalt von Lazzaro Spallanzani
(1729–99) 1786 in Wien ist hier vor allem die entscheidende Rolle von Giovanni
Alessandro Brambilla (1728 –1800) zu erwähnen. Brambilla, der seine Karriere als
Militärchirurg in der österreichischen Armee beginnt, unternimmt in öffentlicher
Funktion Inspektionen der Gesundheitseinrichtungen und gründet schließlich 1785
im Auftrag des Kaisers das Medicinisch-chirurgische Institut (Josephinum), dessen
921 In Wien erscheint 1795 auch die Lettera sulla letteratura di Vienna, tradotta dallo Spagnuolo nell’Italiano, e
corredata di varie interessanti aggiunte da Luigi Brera von Juan Andres.
922 Ricaldone: Italienisches Wien, S. 87.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549