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3 1 3 Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805
Zwischen 1803 und 1805 wurde der josephinische Verbotskatalog seinerseits
revidiert, viele – und zwar 2552 – bis dahin erlaubte Titel wurden erneut verbo-
ten.29 Im Unterschied zum maria-theresianischen Verbotskatalog wurden nur
die Schriften der nun tolerierten Protestanten großzügiger behandelt. In allen
anderen Disziplinen legte man weit strengere Maßstäbe an. Auch Auktions- und
Verlassenschaftskataloge wurden aufgrund der neuen Beurteilungskriterien
rückwirkend revidiert. Die Politik Josephs
II., der Bildung und als deren Grund-
lage die Buchproduktion und -distribution gefördert hatte, wurde nun auf der
ganzen Linie infrage gestellt. Der bereits genannte Polizeidirektor Pergen for-
mulierte das 1803 im Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Rezensurie-
rung so:
Es gehörte zu den Plänen unbescheidener Beförderung einer unbedingten und unge-
messenen Volksaufklärung unter der Regierung des höchstseligen Kaisers Joseph, die
Anzahl der Buchdrucker zu vermehren und die einmal gereizte Lesesucht überall auf
die leichteste und wohlfeilste Art zu befriedigen. Die Früchte zeigen, welche Verwir-
rung der Ideen hieraus entstanden sei, wie wahre gründliche Gelehrsamkeit und
Geisteskultur abgenommen und bodenlose Vielwisserei und leidenschaftlicher
Geschmack an faden Romanen und geistlosen Broschüren zugenommen habe.30
Die Aktion der Rezensurierung war nicht nur äußerst aufwändig, sie brachte
auch eine ganze Reihe von Problemen mit sich. Nicht nur private Büchersamm-
ler fanden sich von heute auf morgen im Besitz indizierter Bücher, auch die
Buchhändler und Antiquare hatten ihre Lagerbestände im Vertrauen auf die
Zulassung diverser Titel gestaltet. Das Wiener Buchhändlergremium brachte im
Jänner 1804 eine Petition ein, in der die Unterzeichneten darum baten, „eine
hohe Stelle wolle geruhen uns von dem Verboth unseres rechtmässigen Vorrath
der für jetzt verbothenen und in Zukunft verboten werdenden Werke zu befrey-
en und uns zu erlauben, daß wir diesen Vorrath, ohne ihn durch neue Anschaf-
fungen zu vermehren, nach wie vor verkaufen dürfen“. Im Fall der Ablehnung
dieses Gesuchs wünschten sich die Buchhändler, „daß uns dieser Vorrath von
der hohen Landes-Regierung nach der einzureichenden Fassion nach ihrem
angesetzten Werth abgelöset und in der kürzesten Zeitfrist bezahlt werde“.31 Die-
ses Gesuch wurde abgelehnt, weil bei den Behörden grundsätzliche Bedenken
29 Vgl. Hadamowsky: Ein Jahrhundert Literatur- und Theaterzensur, S. 302.
30 Schembor: Meinungsbeeinflussung durch Zensur, S. 69–70.
31 Archiv der Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, 1804, 5 (9. Jänner
1804).
3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 101
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510