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Man sieht, die Zensurvorschrift von 1810 veranlasste die Zensoren, neben
der Feststellung von Anstößigkeiten die Nützlichkeit von Literatur zu ermessen
und gegebenenfalls stilistische Mängel als zusätzliches Argument heranzuzie-
hen. Lange vor den Auseinandersetzungen um ,Schmutz und Schund‘ gegen
Ende des 19.
Jahrhunderts wurde hier der systematische Versuch unternommen,
die sich herausbildende Populärkultur unter Kontrolle zu halten.
3 1 6 Die Bücherrevisionsämter
Die ältesten Bücherrevisionsämter in den Kronländern sind jene in Prag (1723)
und Graz (1732); nach 1792 und dem Übergang der Zensur in die Kompetenz
der Polizeihofstelle wurde das Netz der Bücherrevisionsämter in den Hauptstäd-
ten der Provinzen ausgebaut. In den 1830er und 1840er Jahren existierten, dem
fortgeschrittenen Entwicklungsstand des Buchwesens entsprechend, 13
Bücher-
revisionsämter, und zwar in Wien, Linz, Salzburg, Graz, Innsbruck, Laibach/
Ljubljana, Triest/Trieste, Prag/Praha, Brünn/Brno, Lemberg/Lviv, Zara/Zadar,
Mailand/Milano und Venedig/Venezia.66 Zudem tauchen in den Listen der erlaub-
ten Bücher zwischenzeitlich auch die Aufgaben der Bücherrevision erfüllende
Ämter in Pest, Pressburg/Bratislava, Klagenfurt und Ragusa/Dubrovnik auf. Die
Verbotslisten wurden in diesen Jahren in entsprechend hoher Auflage, nämlich
in 165
Exemplaren, produziert und verteilt.67 Ungarn und Siebenbürgen hatten
eine Sonderstellung inne, in die Zensurentscheidungen waren die Hofkanzleien
der beiden Länder eingebunden.
Die Bücherrevisionsämter bzw. die lokalen Zensoren konnten in eigener Ver-
antwortung kleinere, offensichtlich unproblematische und vor allem unpoliti-
sche Manuskripte und Bücher mit dem ,admittitur‘ oder ,transeat‘ versehen und
zum Druck freigeben bzw. bei Manuskripten kleine Änderungen oder Auslas-
sungen verlangen. Bei Bücherankündigungen und anderen Anzeigen und
Bekanntmachungen, bei Verlags-, Antiquar-, Lizitations- und Leihbibliotheks-
katalogen, aber auch bei vielen regulären Druckschriften minderer Bedeutung
genügte eine rasche Sichtung, um ihre Unbedenklichkeit festzustellen. Die Bücher-
revisoren in den Ländern waren grundsätzlich aber nicht befugt, ein Verbot aus-
zusprechen, dieses musste von der Wiener Zentrale, der Polizeihofstelle, ausge-
hen. Schließlich wurden die monatlichen bzw. halbmonatlichen Verbotslisten
66 Nach: Oesterreichische National-Encyclopädie, oder alphabetische Darlegung der wissenswür-
digsten Eigenthümlichkeiten des österreichischen Kaiserthumes. In sechs Bänden. Erster Band.
Wien. In Commission der Friedrich Beck’schen Universitäts-Buchhandlung 1835, S.
418; und
Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes. Wien: K.
k. Hof- und Staatsdru-
ckerey 1844, S. 571–572.
67 Vgl. Giese: Studie zur Geschichte der Pressegesetzgebung, S. 411, und Marx: Die amtlichen
Verbotslisten, S. 416.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
114 3. Die Zensur als Instrument der Repression: Die Ära Napoleons und der Vormärz (1792–1848)
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510