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„Hinüberziehen der Religionskritik auf das ,belletristische Gebiet‘“, die „innige
Verbindung der Blasphemie mit der Aufregung der Sinnlichkeit“, die sich zu
einem „vollständigen Systeme der Gotteslästerung und Unzucht“ vereinigten,110
wie es im Verbotsantrag des Präsidenten des Bundestags, Münch-Bellinghausen,
hieß, die Anstoß erregten. Den Ausschlag für das Verbot hatte die Veröffentli-
chung von Gutzkows Roman Wally, die Zweiflerin (1835) gegeben. Metternich
betrieb eine Ausweitung des Verbots auf Heine und den gesamten Deutschen
Bund, die jedoch scheiterte. Auch an Verlagen wie Löwenthal in Mannheim oder
Hoffmann und Campe in Hamburg sollte ein Exempel statuiert werden. Der
Bundestag einigte sich am 10. Dezember 1835 aber nur darauf, die ohnehin in
den Landesgesetzen enthaltenen Straf- und Polizeigesetze sowie die Vorschrif-
ten gegen den Missbrauch der Presse „nach ihrer vollen Strenge in Anwendung
zu bringen“.111 Diese Regelung wurde erst 1842 wieder aufgehoben.
Die Wirkung des pauschalen Verbots zweifelte schon Heine an, der – mit
Anklängen an Luther – von „viel Geschrey und wenig Wolle“ schrieb.112 Nicht
nur waren so manche Werke der betroffenen Autoren in deutschen Staaten sehr
wohl erhältlich,113 auch kamen die Aktionen zur Beschlagnahmung in Preußen
und Sachsen notorisch zu spät, die verfolgten Bücher waren meist bereits aus-
geliefert und in alle Winde zerstreut. Außerdem förderte das Verbot erst recht
die Politisierung der Literatur und speziell die Kritik an den repressiven Maß-
nahmen der Regierungen.
3 2 1 Verschärfung der Zensurformeln und Schedenvergabe
Die Polizeihofstelle, die den Kurs im Bereich der Zensur vorgab, wurde von 1817
bis 1848 von Josef Graf Sedlnitzky, auch der „Streicher-Graf“ genannt,114 gelei-
tet. Er wird zuweilen als (über-)korrekter Beamter dargestellt, ohne Zweifel ist
er ein hervorragender Repräsentant des im Überwachungs- und Zensurapparat
herrschenden Geistes. Er ging zum Beispiel ähnlich wie der Kaiser davon aus,
dass sich „ein Volk vom Augenblick an, wo es anfängt, Bildung in sich aufzu-
nehmen, im ersten Stadium der Revolution“ befände.115
110 Zitiert in Burkard/Lepper/Schopf/Wolf: Die Macht der Zensur, S. 81–82.
111 Zitiert nach: Jan-Christoph Hauschild (Hg.; in Verbindung mit Heidemarie Vahl): Verboten!
Das Junge Deutschland 1835. Literatur und Zensur im Vormärz. Düsseldorf: Droste 1985, S.
38.
112 An Campe, 12. Jänner 1836; zitiert in Hauschild: Verboten!, S. 123.
113 Vgl. James Brophy: Grautöne. Verleger und Zensurregime in Mitteleuropa 1800–1850. In: His-
torische Zeitschrift, Bd. 301 (2015), S. 297–345, hier S. 317.
114 Burkard/Lepper/Schopf/Wolf: Die Macht der Zensur, S. 39.
115 Zitiert in Inge Kießhauer: Otto Friedrich Wigand (10.
August 1795 bis 1.
September 1870). In:
Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 1 (1991), S. 155–188, hier S. 157.
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130 3. Die Zensur als Instrument der Repression: Die Ära Napoleons und der Vormärz (1792–1848)
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510