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Zensor Amand Berghofer 1805 in Bayern ein Bändchen mit dem Titel Verbothe-
ne Schriften heraus, das 1808 eine zweite Auflage erlebte. Als der Verfasser, der
auch schon anderweitig als oppositioneller Autor auffällig geworden war, von
den Behörden ausgeforscht wurde, trug ihm das die Entlassung aus dem Staats-
dienst ein.14 Ausgeschlossen blieben durch die Geheimhaltung der Verbotslisten
außerhalb der Ämter insbesondere die Buchhändler, für die es dadurch schwie-
rig war, sich ein klares Bild von den Bücherverboten zu machen.15
1801 ging die Zensur in die Agenden der bereits 1792 eingerichteten Poli-
zeihofstelle über. Die Polizeihofstelle wurde nach der Eingliederung der Zensur
in „K.
k. Oberste Polizei- und Censurshofstelle“ umbenannt, im Sprachgebrauch
blieb sie aber meist einfach die Polizeihofstelle. Sie wurde bis 1804 von Johann
Anton Graf Pergen präsidiert, der die Zensur schon lange der Polizeihofstelle
unterordnen wollte, da seiner Ansicht nach durch Schriften „ideen fortgepflanzt
werden und gesinnungen der staatsbürger ihre richtung erhalten“,16 es sich bei
der Literaturüberwachung also um eine Facette der Staatssicherheit handle. Auch
sein Nachfolger bis 1808, Thaddeus Freiherr von Sumeraw, argumentierte, dass
die Zensur „eine bloße Polizeianstalt“ darstelle.17 Das sollte wohl unterstreichen,
dass es keines Fachwissens bedurfte, um Bücher auf ihre Gefährlichkeit hin ein-
zuschätzen, sondern vielmehr der Kenntnis der polizeilichen Richtlinien und der
Stimmung im Publikum. Anschließend wurde die Polizeihofstelle bis 1816 von
Franz Freiherr von Hager zu Allentsteig und schließlich bis 1848 von dem als
bornierter Scharfmacher berühmt-berüchtigten Joseph Graf Sedlnitzky geleitet.18
3 1 2 Die Zensoren
Die Zensoren unterstanden der Polizeihofstelle und wurden auch in den Hof-
schematismen als deren Mitarbeiter geführt. Sie sollten die Fähigkeiten eines
guten Beamten, der nach Vorschriften zu arbeiten gewöhnt war, mit den Qua-
litäten eines Gelehrten verbinden; ideal waren Personen, die beides in sich ver-
einigten, also Beamte mit wissenschaftlicher Bildung, die auch publizistisch aktiv
oder zumindest durch systematische Lektüre auf der Höhe eines oder noch bes-
ser mehrerer Fachgebiete waren. Zudem sollten Zensoren möglichst breite Sprach-
14 Vgl. Wögerbauer: Die Zensur ist keine Wissenschaft, S.
118–121; und Madl/Wögerbauer: Cen-
sorship and Book Supply, S. 82.
15 Wie lange dieses Verbot gültig war, ist unsicher; 1820 wurde es jedenfalls erneuert. Vgl. Gerda
Griesinger: Das Salzburger Zensurwesen im Vormärz. Diss. (masch.) Wien 1969, S. 57.
16 Benna: Organisierung und Personalstand der Polizeihofstelle, S. 221.
17 Zitiert in Wolfram Siemann: „Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung“. Die Anfänge der
politischen Polizei 1806–1866. Tübingen: Niemeyer 1985, S. 48.
18 Vgl. Hadamowsky: Ein Jahrhundert Literatur- und Theaterzensur, S. 301.
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96 3. Die Zensur als Instrument der Repression: Die Ära Napoleons und der Vormärz (1792–1848)
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510