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6 9 2 George Sand
George Sands historisches Drama Les Mississipiens (1840)380 wurde im Juli 1840
ebenfalls mit dem Decisum ,erga schedam‘ auf die Verbotsliste gesetzt. Dieses
Stück variiert das alte und bei George Sand in zahlreichen Romanen abgehandel-
te Thema des Scheiterns der Liebe an materialistischem Denken vor dem Hinter-
grund von Finanzspekulationen im frühen 18.
Jahrhundert. Julie de Puymonfort
heiratet auf Betreiben ihrer Mutter und deren früheren Liebhabers, der nur als
„Le duc, ami de la maison“ in Erscheinung tritt, den reichen Juden Samuel Bour-
set, dessen Onkel König Ludwig
XIV. und den französischen Staat finanziert. Julies
Geliebter, der Chevalier de Puymonfort, wird mithilfe eines Haftbefehls wegen
einer geringfügigen nicht beglichenen Schuld gezwungen, das Feld zu räumen. Er
wandert nach Amerika aus und kehrt erst 16
Jahre später, das ist 1719, inkognito
unter dem Namen George Freeman zurück nach Frankreich. Julie hegt Rachege-
danken, arrangiert sich aber mit Bourset und unterstützt ihn bei seinen Finanz-
spekulationen, weil sie annimmt, diese dienten dem Staat und damit dem Allge-
meinwohl. Puymonfort/Freeman trifft nach seiner Rückkehr auf Julies 15-jährige
Tochter Lucette und bringt sie, da das Mädchen von Bourset als matrimonialer
Lockvogel für reiche Aristokraten eingesetzt wird, in einem Kloster vor solchen
Machenschaften in Sicherheit. Als führendes Mitglied der Compagnie der ‚Mis-
sissipiens‘, einer Gesellschaft zur Erschließung der französischen Besitzungen am
unteren Mississippi, weiß Puymonfort bestens Bescheid über die dortigen Vor-
gänge und droht, die Anleger, die in Aktien dieser Gesellschaft investiert haben,
davon zu unterrichten, dass es dort kein Gold gebe, wodurch Bourset als Betrüger
demaskiert würde. Lucette kehrt aufgrund der falschen Nachricht, ihre Mutter sei
erkrankt, aus dem Kloster zurück. Sie soll mit dem greisen Duc verheiratet wer-
den, um ihn ehebaldigst zu beerben. Puymonfort rät Bourset, die infolge des Wert-
verfalls ihrer Aktien aufgebrachten Anleger damit zu beruhigen, dass er ihnen das
Bargeld in seinen Tresoren zeigt, das er entgegen einem königlichen Mandat gehor-
tet hat, und ihnen die Auszahlung in Metallgeld anbietet. Die Anleger verzichten
daraufhin auf den Umtausch ihrer Aktien, weil sie neues Vertrauen in Bourset
fassen. Bourset versucht, Puymonfort daraufhin als Geschäftspartner zu gewin-
nen, und bietet ihm die Hand Lucettes an. Puymonfort verzichtet aber und geht
zurück nach Amerika. Julie erkennt spät, aber doch, dass Boursets Unternehmun-
gen auf Diebstahl hinauslaufen, trennt sich von ihm und zieht sich mit ihrer Toch-
ter in ein Landhaus zurück. Der unverbesserliche Bourset wird sich in neue Spe-
kulationen stürzen, von Puymonfort hat er die Anregung aufgeschnappt, fortan
besser in landwirtschaftlichen Grundbesitz zu investieren.
380 Les Mississipiens. Proverbe. In: Œuvres de George Sand, vol.
25. Paris: Magen et Comon 1841,
S. 177–386.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
378 6. Fallstudien
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510