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4.2. Daniel Syrovy:
Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848)
Bereits kurz nach Beginn des Wiener Kongresses 1814 traf die Administration
der Habsburgermonarchie Vorbereitungen dafür, in Mailand eine Zensurbehör-
de einzurichten, die unmittelbar nach der offiziellen Übernahme der Lombardei
und Venetiens zu arbeiten beginnen sollte. Die Gewissheit dieses Schrittes ange-
sichts im Grunde noch offener Fragen wird vielleicht überraschen, allerdings
war der österreichische Staatskanzler Clemens von Metternich bekanntlich nicht
nur einer der wesentlichen Gestalter des postnapoleonischen Europa; die vor-
malige Präsenz Habsburgösterreichs in Norditalien (in der Lombardei 1714 bis
1797, in Venetien 1797 bis 1805) garantierte in Metternichs Augen zudem die
Legitimität des österreichischen Anspruchs auf die Gebiete, der von Seiten Franz
I.
und der Habsburgerdynastie außer Zweifel stand. Dazu kam, dass die Monar-
chie schon seit 1813 provisorisch die Kontrolle über das Veneto hatte und im
Juni 1814 schließlich auch die Lombardei annektierte. Somit war es vor allem
die ordentliche Eingliederung der beiden Provinzen in die Verwaltungsstruktur
der Monarchie, die auf dem Kongress zu Metternichs Prioritäten zählte. Nach
neuesten Darstellungen reichen die Anbahnungen dazu bis in den Mai 1813
zurück,59 was die Rolle, die Napoleons Flucht von Elba angeblich für die Beschleu-
nigung der Ergebnisse des Kongresses hatte, deutlich in den Hintergrund rückt.60
Jedenfalls wurden im Jahr 1815 die Hoffnungen der Italiener enttäuscht, nach
dem Niedergang von Napoleons Kaiserreich eine Art eigenständigen Staat auf-
rechtzuerhalten. Schon das Regno d’Italia war allerdings nur bedingt selbständig
gewesen: Von Napoleon nach seiner Kaiserkrönung 1805 als Königreich einge-
richtet, war die vormalige Repubblica Cisalpina (bis 1802) bzw. Repubblica Ita-
liana gewissermaßen von Beginn an – das heißt, seit dem Frieden von Campo-
formio 1797 – eine Art französische Dépendance. Die Autonomie lag höchstens
im Namen und wurde zudem nicht überall positiv aufgenommen, am wenigsten
bei den Venezianern, die ihre viele Jahrhunderte alte Republik verloren hatten
und 1797 zunächst der Habsburgermonarchie zugeteilt, 1805 dem Regno d’Italia
eingegliedert wurden, was unter anderem auch bedeutete, Mailand als Haupt-
stadt des Gebietes anzuerkennen.
Die Komplexität dieser politischen Entwicklungen kann hier nur knapp behan-
delt werden, sie spielt für die Bücherzensur aber in zweierlei Hinsicht eine wichtige
liografie (Tschechische literarische Bibliographie, http://clb.ucl.cas.cz [zuletzt abgerufen am
03.03.2017]) benutzt.
59 Vgl. Siemann: Metternich, S. 391–392.
60 Vgl. Alan Palmer: Metternich. Der Staatsmann Europas. Eine Biographie. Düsseldorf: Claas-
sen 1977, S. 199.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
216 4. Ein Blick in die Länder
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510