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Fürsten bekommen leicht gute Unterthanen (nicht so leicht diese jene).“204 Auch
fremde Potentaten werden in dem Roman ‚verleumdet‘: Schmelzle vergleicht
sich mit „König Jacob von England, welcher davon laufend vor nakten Degen,
desto kühner vor ganz Europa dem stürmenden Luther mit Buch und Feder ent-
gegen schritt“.205 Was die Religion betrifft, so erinnert sich Schmelzle, Rom
„gestürmt“ und sich „mit dem Pabste und dem Elephantenorden des Kardi-
nal-Collegiums zugleich duellirt“ zu haben.206 Ferner unterliegt der Feldprediger
dem Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung, vor deren Ergebnis er sich
natürlich fürchtet. So überfällt ihn in der Flätzer Hofkirche geradezu zwanghaft
die Frage, ob es etwas Höllischeres gäbe, „als wenn du mitten im Empfange des
h.
Abendmahls verrucht und spöttisch zu lachen anfingest?“207 Als er mit einem
alten Bürgermeister gemeinsam die Kommunion empfängt, grinst er „wie ein
Affe“, sodass ihn der Bürgermeister fragt, ob er „ein ordinirter Prediger oder ein
Pritschenmeister“ sei.208
Schließlich ist die „Beichte des Teufels bey einem großen Staatsbedienten“ sowohl
wegen der Idee des vorgeblichen Auftritts des Teufels wie auch wegen der Sünden
des hochrangigen Staatsdieners anstößig, die tatsächlich ein- und dieselbe Person
sind. Auch in deutschen Staaten war diese nachgestellte Erzählung zunächst an
den Einwänden der Zensur gescheitert.209 Der Staatsmann hat einige Kriege zu
verantworten, sich bereichert, das Volk unterdrückt, vor allem aber war er ein
„Freund und Liebhaber jeder weiblichen Unschuld“, die er bis in Nonnenklöster
hinein verfolgte; „nur die Reinsten sollten sich vor ihm sehen lassen, und der Red-
liche sagte oft, sie seien gar nicht zu bezahlen, und klagte halb darüber.“210
6.5. Die Romantiker
6 5 1 Novalis
Novalis’ berühmter Mittelalter-Roman enthält einige wenige Bemerkungen, die
man als frivol einschätzen konnte. So berichtet der Erzähler, dass die Kreuzfahrer
204 Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz mit fortgehenden Noten; nebst der Beichte des
Teufels bey einem Staatsmanne; von Jean Paul. Tübingen: Cotta 1809, S. 1.
205 Ebd., S. 9. Der Herausgeber der kritischen Jean-Paul-Ausgabe vermutet mit Recht eine Ver-
wechslung mit Heinrich
VIII., der sich mit Luther theologische Fehden lieferte (siehe Jean Paul:
Werke. Hg. v. Norbert Miller. 6. Band. München: Hanser 1987, S. 1240).
206 Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz, S. 4.
207 Ebd., S. 63.
208 Ebd., S. 64.
209 Vgl. Jean Paul: Werke. Hg. v. Norbert Miller, Bd. 6, S. 1239.
210 Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz, S. 129–130. 6.5. Die Romantiker 321
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510