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6 9 5 Balisson de Rougemont
Der doch etwas überraschende Befund, dass das Lob Napoleons und seiner Offi-
ziere das einzige ersichtliche Motiv für das Verbot des Vaudevilles von Bayard
und Vanderburch darstellt, wird durch das zweite für diese dramatische Subgat-
tung herangezogene Beispiel erhärtet. In dem Stück La fille du cocher von Balis-
son de Rougemont,402 das im Juni 1834 ebenfalls mit dem Verbotsgrad ,damna-
tur‘ belegt wurde, ist das Lob Napoleons und seiner Militärs vergleichsweise
noch viel ausführlicher ausgestaltet. Auch hier bildet es das einzige Motiv für
das Verbot.
Durch einen Kutschenunfall kommen der Comte de Morville und ein Colo-
nel der Kavallerie der napoleonischen Armee, der gerade für einen Familienbe-
such beurlaubt ist, miteinander in Verbindung. Der Kutscher Durand hat 1794
dem zum Tod verurteilten Morville das Leben gerettet und dessen Tochter Juli-
enne aufgezogen. Nun benötigt Morville Geld, er möchte sein Schloss verkaufen
und überdies seine Tochter standesgemäß verheiraten, wobei sich insbesondere
die Generäle Napoleons als ‚gute Partien‘ anbieten. Morville ist von Napoleon
nach der Rückkehr aus dem Exil äußerst gut behandelt worden, er hat ihm sei-
nen gesamten Besitz zurückerstattet und ihn zu seinem Kämmerer ernannt. Auch
glaubt der Graf, dass Napoleon Anteil an der vorteilhaften Verheiratung seiner
Tochter nimmt. Durand ist erbost darüber, dass er seine Ziehtochter nun nicht
mehr sehen darf, und lässt sich unerkannt als Kutscher des Grafen anwerben.
Er möchte Julienne mit seinem Sohn verheiraten, der niemand anderer als der
zurückgekehrte Colonel ist. Da er nach der Revolution durch Assignatenkäufe
und Spekulationen mit Getreide reich geworden ist, kann Durand seiner Ziehtoch-
ter Morvilles Schloss als Mitgift kaufen und als Draufgabe seinem Sohn
200.000 Francs schenken. Als die Nachricht eintrifft, dass Napoleon den zum
General ernannten und baronisierten Colonel als Juliennes Gatten vorschlägt,
stimmt auch der starrsinnige Comte der Liebesheirat zu.
Der Adel wird in dem Stück nicht gerade schmeichelhaft behandelt. Als eine
reiche Braut die Heirat mit einem adeligen Freier zugunsten eines erfolgreichen
Geschäftsmannes ausschlägt, wird das mit der Bemerkung bedacht: „Ecoutez donc,
le vilain a l’air noble, / Et franchement le noble est fort vilain.“403 (Hören Sie, der
Schurke hat ein edles Wesen, und, ganz ehrlich, der Adelige ist äußerst schlecht.)404
Der Colonel schätzt den neuen Verdienstadel höher ein als den alten Geburtsadel,
402 Michel-Nicolas Balisson de Rougemont: La fille du cocher. Comédie-vaudeville en deux actes.
Paris: Marchant 1834. Da der Text zweispaltig gedruckt ist, wird in der Folge neben der Sei-
tenzahl jeweils die Spalte (l, r) angegeben.
403 Ebd., S. 5r.
404 Die Übersetzungen der Zitate aus La fille du cocher stammen vom Verfasser, N. B.
6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 387
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510