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vom 12.06.2022, aktuelle Version,

Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien

Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien
Gründung 1402
Ort Wien, Österreich
Dekan Brigitta Zöchling-Jud
Studierende über 10.000
Mitarbeiter rund 600, davon über 40 Professoren und rund 300 Angehörige des akademischen Mittelbaus
Website www.juridicum.at

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien (nach einem ihrer Gebäude informell auch: Juridicum) ist die größte Institution für rechtswissenschaftliche Forschung und Lehre im deutschsprachigen Raum und eine der ältesten juridischen Fakultäten der Welt. Sie gilt als beste rechtswissenschaftliche Fakultät Österreichs und genießt international höchstes Ansehen.[1][2]

Geschichte

Hans Kelsen, Begründer der Reinen Rechtslehre und Architekt der österreichischen Bundesverfassung

Das Studium der Rechtswissenschaften war schon in den Gründungsurkunden der Universität Wien von 1365 und 1385 vorgesehen, doch wurde die Lehrtätigkeit erst 1402 aufgenommen und beschränkte sich zunächst auf Kanonisches Recht. Nach mehreren gescheiterten Anläufen kam 1494 das Römische Recht hinzu. Erst mit der Theresianischen Studienreform 1753 wurde der Fächerkanon ausgeweitet; der von Franz von Zeiller ausgearbeitete Studienplan von 1810 führte erstmals das Österreichische Privatrecht als eigenes Fach ein. Der dominierende Einfluss des Naturrechts wurde mit der von Unterrichtsminister Leo von Thun-Hohenstein erlassenen Studienreform 1850 gebrochen, das Schwergewicht vielmehr auf die rechtshistorischen Fächer gelegt. Dieser ging in den nachfolgenden Studienreformen immer weiter zurück.

Die Vermehrung des Fächerkanons ab dem 18. Jahrhundert brachte es mit sich, dass in zunehmendem Maße auch nichtjuristische Fächer, wie insbesondere Staatswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, aber auch Statistik, an der Fakultät angesiedelt waren, die daher ab 1850 als „Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät“ bezeichnet wurde.

1975 erfolgte die Teilung in eine Rechtswissenschaftliche und eine Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät; letztere wurde in weiterer Folge noch mehrmals geteilt, heute gehen auf sie insbesondere die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und die Fakultät für Informatik sowie Teile der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien zurück.

Fachlich nachhaltig geprägt wurde die Fakultät vor allem von Größen wie Karl Anton von Martini, Franz von Zeiller, Joseph Unger, Julius Glaser, Anton Menger, Georg Jellinek, Franz Klein, Armin Ehrenzweig, Heinrich Klang, Hans Kelsen, Adolf Julius Merkl, Alfred Verdross, Winfried Kralik, Hans W. Fasching, Franz Bydlinski, Robert Walter, Winfried Platzgummer, Manfred Burgstaller, Helmut Koziol, Rudolf Welser und Walter Rechberger.

Organisation

Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien ist seit 2020 Brigitta Zöchling-Jud.

Derzeit bestehen an der Fakultät zwölf Institute:

Darüber hinaus bestehen an der Fakultät eine Reihe von weiteren Forschungseinrichtungen und Forschungsplattformen und arbeiten auch außeruniversitäre Einrichtungen eng mit der Fakultät zusammen. Zu nennen sind hier vor allem das Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte und das interfakultäre Institut für Ethik und Recht in der Medizin (IERM). Das 2011 gegründete Austrian Center for Law Enforcmement Studies (ALES) soll einer besseren Vernetzung von Polizei- und Justizarbeit in Österreich dienen.[3] Die 2016 eingerichtete Forschungsstelle für Rechtsquellenerschließung arbeitet mit der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs der ÖAW zusammen.

Curriculum

Das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien gliedert sich in drei Abschnitte: Einen Einführungsabschnitt (der neben einführenden Vorlesungen in die wichtigsten rechtsdogmatischen Fächer auch die rechtshistorischen Fächer sowie Grundzüge der Rechtsphilosophie enthält), einen judiziellen Abschnitt (in dessen Zentrum eine fächerübergreifende Prüfung aus Zivil- und Unternehmensrecht steht) sowie einen staatswissenschaftlichen Abschnitt (mit einer fächerübergreifenden Prüfung aus Verfassungs- und Verwaltungsrecht). Das Studium dauert zumindest vier Jahre und wird (seit 1975) mit dem Grad eines Magisters bzw. (seit 1993[4]) einer Magistra der Rechtswissenschaften abgeschlossen, welcher Voraussetzung für alle klassischen Juristenberufe ist. Daran können ein Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften (mit Dissertation) und ein postgraduales Studium (LL.M.-Studium) angeschlossen werden.

Rankings

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien gilt als beste in Österreich und zählt zu den angesehensten juridischen Fakultäten Europas. Im Times Higher Education World University Ranking belegte die Universität Wien im Fach Rechtswissenschaften 2019 den 32. Platz in Europa und den 73. Platz weltweit.[1] Im QS World University Ranking kam sie 2021 im Fach Rechtswissenschaften auf den 26. Platz in Europa und auf den 69. Platz weltweit.[5]

Gebäude

Juridicum
Baustelle im Jahr 1978

Untergebracht war die juristische Fakultät zunächst in verschiedenen Gebäuden der Alten Universität im Stubenviertel, ab 1884 im Hauptgebäude am Franzensring (heute Universitätsring). Der starke Anstieg der Studentenzahlen und die damit verbundene Vermehrung von Lehrstühlen in den 1960er Jahren ließen den Ruf nach einem eigenen Gebäude für die Fakultät laut werden; zum Baubeauftragten wurde der Staatsrechtler Günther Winkler bestellt, dem es gelang, einen Baugrund in der Innenstadt (Schottenbastei 10–16) für die Fakultät zu sichern.

1970 wurde der Architekt Ernst Hiesmayr mit der Planung des Juridicums beauftragt. Nach etwa einem Jahr vergeblicher Versuche, auf dem begrenzten Grundstück eine Lösung zu finden, die das Raumbedürfnis der Fakultät befriedigen konnte, entschied er sich schließlich für eine „Brückenkonstruktion“: Es wurden vier, jeweils paarige, Türme errichtet (in denen u. a. auch Lift, Toiletten und Versorgungsanlagen untergebracht sind), über welche eine Fachwerkskonstruktion aus Stahl gebaut wurde. Von dieser Konstruktion wurden alle Geschoße abgehängt. Die einzelnen Stockwerksböden sind also nicht von unten hochgebaut, sondern hängen von oben herab. Damit erreichte man, auf gleichem Raum mehr Stockwerke unterzubringen und gleichzeitig ein sehr freies Erdgeschoß (ohne Säulen und Träger) bauen zu können. Die hängenden Säulen werden von warmem Wasser durchlaufen und erwärmen somit das Gebäude.

Als „postmodern“ kann das Gebäude insofern gesehen werden, als die Hängekonstruktion nicht betont, sondern durch die filigrane Gestaltung der Fassade eher verdeckt wurde. „Man ahnt nur, daß die an den Gebäudestirnen weit ausladenden vier oberen Geschoße nicht nur kragen dürften, dafür ist die Ausladung viel zu groß.“[6]

Der Bau wurde 1974 begonnen und 1984 fertiggestellt, sodass die Fakultät nach exakt hundert Jahren im Haus am Ring übersiedeln konnte. Allerdings konnte das Juridicum schon zu Beginn nicht die gesamte Fakultät aufnehmen. Derzeit beherbergt es die Institute für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung, für Rechts- und Verfassungsgeschichte, für Staats- und Verwaltungsrecht, für Unternehmens- und Wirtschaftsrechts sowie für Zivilrecht, weiters den größten Teil der Fachbereichsbibliothek Rechtswissenschaften.

Die Institute für Arbeits- und Sozialrecht, für Finanzrecht, für Rechtsphilosophie einschließlich Religions- und Kulturrecht, für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte und für Zivilverfahrensrecht befinden sich seit 2006 in einem aus der Gründerzeit stammenden Gebäude in der Schenkenstraße 8–10 unweit des Juridicums, ebenfalls ist dort das Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht angesiedelt. Das Institut für Strafrecht und Kriminologie übersiedelte 2014 von der Schenkenstraße 8–10 in die Schenkenstraße 4. Das Dekanat und das StudienServiceCenter übersiedelten 2018 in die Renngasse 6–8.

Dekane

Amtszeit Name Fachrichtung
1956–1957 Fritz Schwind (I) Internationales Privatrecht
1964–1965 Fritz Schwind (II) Internationales Privatrecht
1965–1966 Günther Winkler Verfassungs- und Verwaltungsrecht
1966–1967 Winfried Kralik Zivilverfahrensrecht
1967–1968 Wilhelm Weber Volkswirtschaftslehre
1969–1970 Erwin Melichar Verfassungs- und Verwaltungsrecht
1971–1972 Hans Walter Fasching Zivilverfahrensrecht
1972–1973 Werner Ogris Rechtsgeschichte
1973–1974 Erich Streissler Volkswirtschaftslehre
1974–1975 Herbert Hausmaninger Römisches Recht
1975–1977 Winfried Platzgummer Strafrecht
1977–1979 Theodor Tomandl Arbeits- und Sozialrecht
1979–1981 Rudolf Hoke Rechtsgeschichte
1981–1983 Rudolf Welser Zivilrecht
1983–1985 Karl Wenger Wirtschaftsverwaltungsrecht
1985–1987 Theo Öhlinger Verfassungs- und Verwaltungsrecht
1987–1989 Wilhelm Brauneder Rechtsgeschichte
1989–1991 Inge Gampl Kirchenrecht
1991–1993 Walter Schrammel Arbeits- und Sozialrecht
1993–2000 Peter E. Pieler Römisches Recht
2000–2006 Walter Rechberger Zivilverfahrensrecht
2006–2014 Heinz Mayer Verfassungs- und Verwaltungsrecht
2014–2020 Paul Oberhammer Zivilverfahrensrecht
Seit 2020 Brigitta Zöchling-Jud Zivilrecht

Absolventen (Auswahl)

Unter den Absolventen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien befinden sich zahlreiche prominente Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik. So sind etwa die fünf Juristen unter den bisherigen Bundespräsidenten der Republik Österreich allesamt Absolventen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Außerdem brachte die Fakultät seit 1918 neun Bundeskanzler und 23 Justizminister hervor.[7]

Karl Anton von Martini, bedeutender Denker des Naturrechts und Wegbereiter des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs
Franz von Zeiller, Vater des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs
Joseph Unger, Vater der historischen Rechtsschule in Österreich
Franz Klein, Schöpfer der österreichischen Zivilprozessordnung
Karl Renner, Gründungsvater der Ersten und der Zweiten Republik
Hans Kelsen, Vater der Reinen Rechtslehre und Architekt der österreichischen Bundesverfassung
Adolf Julius Merkl, bedeutender Vertreter der Wiener Rechtstheoretischen Schule
Engelbert Dollfuß, Begründer des austrofaschistischen Ständestaats und diktatorischer regierender Bundeskanzler von 1932 bis 1934
Bruno Kreisky, Bundeskanzler der Republik Österreich von 1970 bis 1983
Heinz Fischer, Bundespräsident der Republik Österreich von 2004 bis 2016
Commons: Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Nachweise

  1. 1 2 World University Rankings 2019 by subject: law. 8. Oktober 2018, abgerufen am 9. Februar 2019 (englisch).
  2. Law. 22. Februar 2018, abgerufen am 9. Februar 2019 (englisch).
  3. Start des ersten Polizei- und Justizforschungszentrums in Österreich (Memento vom 16. Januar 2012 im Internet Archive). Pressemeldung der Universität Wien vom 24. Oktober 2011.
  4. Der akademische Grad „Magistra“ wurde erstmals mit BGBl. Nr. 523/1993 eingeführt. Absolventinnen, denen zuvor akademische Grade in der männlichen Form verliehen wurden, dürfen diese seither ebenfalls in der weiblichen Form führen.
  5. QS World University Rankings by Subject 2021: Law & Legal Studies. Abgerufen am 27. Mai 2021 (englisch).
  6. Ernst Hiesmayr, Juridicum Universität Wien. Ernst Löcker Verlag Wien 1996, S. 10.
  7. Vgl. die Liste der Bundespräsidenten der Republik Österreich, die Liste der Bundeskanzler der Republik Österreich und die Liste der österreichischen Justizminister in Verbindung mit den Artikeln zu den jeweiligen Personen. Stand: 30. April 2021 (somit einschließlich der Absolventen Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Justizministerin Alma Zadić).

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Bild aus Wien; Beschreibung im Dateinamen. http://www.tramwayforum.at/index.php?topic=2860.0 TARS631 Datei:045L22091078 Stadt, Heßgasse, Neubau eines Gebäudes für die Universität.jpg
Adolf Merkl (1890–1970), österreichischer Staats- und Verwaltungsrechtswissenschafter, Vertreter der Wiener Rechtstheoretischen Schule. (Aus dem Bildnisalbum zur Beethoven-Zentenar Feier.) ÖNB, Bildarchiv Austria , Inventarnummer Pb 580.555-F 433 ( https://www.bildarchivaustria.at/Pages/ImageDetail.aspx?p_iBildID=10451847 ) Georg Fayer
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Datei:Adolf Merkl (1890–1970) 1927 © Georg Fayer (1892–1950) OeNB 10451847.jpg
Bruno Kreisky 1983 auf einer Wahlkampfveranstaltung für die österreichische Nationalratswahl flickr Votava ( SPÖ Presse und Kommunikation )
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Franz Klein (1854-1926), Büste (Marmor) im Arkadenhof der Universität Wien , (Maisel-Nummer 68), Künstler: Hermann Haller (1880-1950), enthüllt 1937 Eigenes Werk Hubertl
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Datei:Franz Klein (1854-1926), Nr. 68, bust (marble) in the Arkadenhof of the University of Vienna-1277.jpg
Hans Kelsen (1881-1973), Büste (dunkle Bronze) im Arkadenhof der Universität Wien , (Maisel-Nummer 17), Künstler: Ferdinand Welz (1915-2008), enthüllt 1984 Eigenes Werk Hubertl
CC BY-SA 4.0
Datei:Hans Kelsen (Nr. 17) - Bust in the Arkadenhof, University of Vienna - 0290.jpg
Hans Kelsen (1881-1973), Büste (dunkle Bronze) im Arkadenhof der Universität Wien , (Maisel-Nummer 17), Künstler: Ferdinand Welz (1915-2008), enthüllt 1984 Eigenes Werk Hubertl
CC BY-SA 4.0
Datei:Hans Kelsen (Nr. 17) - Bust in the Arkadenhof, University of Vienna - 0292.jpg
UHBP Heinz Fischer anlässlich des Staatsbesuchs von Vaclav Klaus in Wien, fotografiert kurz vor der offiziellen Begrüßung im Inneren Burghof in Wien. Eigenes Werk GuentherZ
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Datei:Heinz Fischer 2012 (cropped).jpg
Joseph Unger (Adalbert Seligmann, 1913) Adalbert Seligmann JP2011
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