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24 1 Big Data im öffentlichen Diskurs âŠ
Offiziell wird das System mit dem Ziel begrĂŒndet, mehr VerlĂ€sslichkeit im
wirtschaftlichen und sozialen Leben bewirken zu wollen. Dadurch sollen korrupte
FunktionÀre und Unternehmen mit schlechten oder gefÀlschten Produkten an den
Pranger gestellt werden. Aber das System lÀsst sich eben auch gegen jedwedes
unerwĂŒnschte Verhalten einsetzen, welches vermeintlich die soziale Ordnung
unterminiert oder nationale Verteidigungsinteressen gefÀhrdet. Das Sozialkredit-
system gilt deshalb als âein Upgrade des chinesischen Ăberwachungsstaatesâ
(Mazur 2018).
Die chinesischen Sicherheitsgesetze geben dem Staat unbeschrÀnkten Zugang
zu fast allen persönlichen Daten. Erfasst werden Hotelaufenthalte, Eisenbahn-
fahrten und FlĂŒge und in manchen Orten schon der Autoverkehr. GroĂflĂ€chige
Ăberwachungssysteme ĂŒberwachen den Alltag der Chinesen. Installiert sind der-
zeit rund 200 Mio. Kameras, vier Mal so viele wie in den USA, und bis 2020
sollen noch mal 100 Mio. hinzukommen. Wie das funktioniert, zeigt sich schon
heute in einigen StÀdten. Bildschirme groà wie Reklametafeln zeigen Bilder
von FuĂgĂ€ngern samt Namen und Personalausweisnummer, die bei Rot ĂŒber die
Ampel gehen und mit Hilfe von Gesichtserkennung identifiziert wurden. Andere
Tafeln stellen die Namen von Leuten, die ihre Schulden nicht bezahlen, an den
Pranger.
China ist heute schon der weltweit gröĂte Markt fĂŒr Ăberwachungstechno-
logie. Regierungsgelder flieĂen in die Erforschung von Technologien zur Identi-
fizierung von Personen anhand ihrer Gesichter, ihrer Kleidung und sogar ihres
Gangs. Experimente laufen, den Personalausweis durch eine App von WeChat zu
ersetzen. Eine Kamera mit Gesichtserkennungssoftware gleicht das Gesicht mit
der registrierten ID ab. Die Polizei wird mit Spezialbrillen zur Gesichtserkennung
ausgerĂŒstet. Was Ăberwachungstechnologien betrifft, können sich chinesische
High-Tech-Firmen mit den besten der Welt messen. In einem Technowettbewerb
des US-Geheimdienstes zur Gesichtserkennung belegte das chinesische Start-up
Yitu Technology 2017 den ersten Platz (Mazur 2018).
Zur Kontrolle des Internets blockiert China mit der Great Firewall den Zugang
westlicher Internetseiten. Der Staat bietet den chinesischen Internetgiganten
Alibaba, Tencent und Baidu, die der staatlichen Aufsicht unterliegen, lukrative
GeschĂ€ftsfelder, indem er sie vor auslĂ€ndischer Konkurrenz schĂŒtzt. DafĂŒr stel-
len sie ihm die Daten ihrer Nutzer zur VerfĂŒgung. Das nĂ€chste Ziel ist, die ver-
schiedenen Teilelemente zu integrieren zu einer 360-Grad-Ăberwachung. Dann
wĂ€re der erste digitale totalitĂ€re Staat vollendet. âPekings PlĂ€ne fĂŒr das digitale
China stellen sogar George Orwells dĂŒstere Vision des totalen Ăberwachungs-
staats in den Schattenâ (Steltzner 2018, S. 19 f.).
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Titel
- Die Big-Data-Debatte
- Untertitel
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Autoren
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Verlag
- Springer Gabler
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Abmessungen
- 15.3 x 21.6 cm
- Seiten
- 220
- Schlagwörter
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207