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34 1 Big Data im öffentlichen Diskurs âŠ
Auf der anderen Seite wurde die DSGVO bei Inkrafttreten in Deutschland aus der
entgegengesetzten Richtung zum Gegenstand von kritischer Berichterstattung.
Geradezu Hohn und Spott wurde ĂŒber hanebĂŒchene Auflagen insbesondere fĂŒr
kleine und mittlere Unternehmen ausgegossen. Kritisiert wird darĂŒber hinaus
grundsÀtzlich, dass Datenschutz und die DSGVO die Möglichkeiten von Big Data
auf wichtigen anderen Gebieten einschrÀnken. Besonders im Gesundheitswesen
sei der deutsche und europĂ€ische Datenschutz eine der gröĂten Barrieren natio-
naler Forschungsumsetzungen und er festige die US-amerikanischen Monopole
(Schwerk et al. 2018, S. 5).
Explorative Datenanalysen, die personenbezogene Daten einbeziehen, sind
wegen möglicher nachtrÀglicher ZweckÀnderungen aus datenschutzrechtlicher
Sicht grundsÀtzlich unzulÀssig (Hornung und Herfurth 2018, S. 167 ff.). Die
Begrenzung des Sammelns und Verarbeitens von Daten auf das fĂŒr einen spezi-
fischen Zweck Erforderliche ist aber mit der Praxis von Big Data nicht oder
nur sehr begrenzt zu vereinbaren. Maschinelles Lernen benötigt Daten, um den
Computer fĂŒr bestimmte Situationen und Entscheidungen zu trainieren, die nicht
im Voraus bestimmt, aus den Ursprungsdaten abgeleitet oder auch danach nicht
erklÀrt werden können, kritisiert Anthropologie- und Informatikprofessorin Ali-
son Cool (2018). Der Branchenverband Bitkom fordert deshalb, die beiden
Prinzipien der Datensparsamkeit und Zweckbindung durch die Prinzipien der
Datenvielfalt und des Datenreichtums zu ersetzen.
Der Deutsche Ethikrat nennt weitere uneinlösbare Vorgaben der DSGVO, ins-
besondere
âą dass der Datengeber Bedeutung und Tragweite der Datenverwendung bei der
Einwilligung verstehen muss,
âą dass der Datengeber bei jeder weiteren Verwendung erneut einwilligen muss,
âą das Anonymisierungs- beziehungsweise Pseudonymisierungsgebot, da die Ver-
knĂŒpfung vielfĂ€ltiger Daten die Gefahr der Re-Identifizierung erhöht,
⹠das Recht auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Sperrung personen-
bezogener Daten, was angesichts der vielfÀltigen Verarbeitungen und
Anwendungen immer nur unvollstÀndig sein kann (Deutscher Ethikrat 2017).
Fazit Das bisherige Konzept des Datenschutzes, also die Vorstellung, durch
(detaillierte) rechtliche Normen die BĂŒrger vor dem Missbrauch ihrer Daten zu
schĂŒtzen, selbst wenn sie als Nutzer sorglos damit umgehen, stöĂt sichtbar an
seine Grenzen. Denn das Recht kann die politischen Versprechen von Trans-
parenz, AnonymitÀt oder Zweckbindung in Bezug auf Big Data nur begrenzt
einlösen, und zwar ganz gleich, aus welcher der beiden genannten Perspektiven
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Titel
- Die Big-Data-Debatte
- Untertitel
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Autoren
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Verlag
- Springer Gabler
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Abmessungen
- 15.3 x 21.6 cm
- Seiten
- 220
- Schlagwörter
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207