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52 1 Big Data im öffentlichen Diskurs âŠ
4. Die Nutzer glauben weder der einen noch der anderen ErzÀhlung. Das
User-Paradoxon weist nÀmlich nicht nur darauf hin, dass die Nutzer in
ihrem individuellen Nutzungsverhalten die Risiken von Big Data zugunsten
des subjektiven Nutzens vernachlÀssigen. Sondern das User-Paradox lÀsst
zugleich vermuten, dass auch die optimistischen ErzÀhlungen der Politik,
wonach Nutzer sich sinnvoll vor unkontrollierter Datensammlung und deren
ungewĂŒnschten Auswertungen schĂŒtzen können, wenn sie nur aufgeklĂ€rt und
informiert handeln, wenig ĂŒberzeugend sind bzw. nicht dem Selbstbild der
Nutzer entsprechen.
5. So herrscht schlieĂlich auf kollektiver Ebene weitgehende Orientierungs-
losigkeit darĂŒber vor, wie sich die Risiken von Big Data beherrschen lassen,
ohne deren Chancen unangemessen zu reduzieren. Der von dystopischen
ErzĂ€hlungen beherrschte öffentliche Diskurs fĂŒhrt zwar nicht zu einem ent-
sprechenden individuellen Nutzerverhalten, bestimmt aber dennoch das
öffentliche Meinungsbild mit seiner ĂŒberwiegend skeptischen Sicht auf Big
Data und KĂŒnstliche Intelligenz. Die geradezu kontrĂ€ren öffentlichen und
politischen, insbesondere datenschutzrechtlichen Narrative â Dystopie hier,
aufgeklĂ€rter User da â verhindern es, dass die eigentliche Funktion von
Narrationen bzw. Narrativen, nĂ€mlich ĂŒber die Reduktion von KomplexitĂ€t
mehrheitsfÀhige VerstÀndigungen möglich zu machen, im Falle von Big Data
greifen kann.
6. Gleichzeitig erweist sich der bisherige Lösungsansatz von Datenschutz-
politik bzw. -recht, nĂ€mlich den aufgeklĂ€rten Nutzer, den BĂŒrger im Netz,
vor Datenmissbrauch schĂŒtzen zu wollen, als wenig aussichtsreich, um das
User-Paradoxon aufzulösen. Dazu tragen nicht zuletzt einige grundsÀtzliche
Unvereinbarkeiten zwischen Datenschutz und den Chancen von Big Data
bei, insbesondere die Frage der Datensparsamkeit und Zweckbindung. Ăber-
haupt stöĂt eine detaillierte Rechtsetzung bzw. Regulierung im Kontext einer
dynamischen Digitalisierung an ihre Grenzen. Allein die Differenzierung
zwischen personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten ist ange-
sichts der explodierenden Datengenerierung und den Mitteln der Re-Anony-
misierung de facto nicht mehr möglich und hat als Entscheidungskriterium
nur noch begrenzte Relevanz.
7. Die lÀhmenden Paradoxien lassen sich rein logisch sowohl in die eine als auch
die andere Richtung auflösen. Zum einen wÀre es dadurch möglich, dass sich
öffentliche ErzĂ€hlungen mit glĂŒcklichem Ausgang ĂŒber gezĂ€hmte Datenkraken
und eingedÀmmte Datenfluten herausbilden, die als wirkmÀchtige Narrative
eine breit getragene VerstĂ€ndigung ĂŒber den Nutzen von Big Data begrĂŒnden
können. Diese Option muss angesichts der dominierenden dystopischen Big
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Titel
- Die Big-Data-Debatte
- Untertitel
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Autoren
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Verlag
- Springer Gabler
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Abmessungen
- 15.3 x 21.6 cm
- Seiten
- 220
- Schlagwörter
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207