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38 1 Big Data im öffentlichen Diskurs âŠ
bewussten individuellen Wahlhandlung ĂŒberfordert heute hĂ€ufig die FĂ€higkeit,
aber auch den Willen der Individuen zu solchen Entscheidungen. Die Annahme,
dass allein die Transparenz von Datenschutz- bzw. Nutzungsbestimmungen, die
Offenlegung von Algorithmen, ja selbst die Transparenz von Datenmissbrauch
dazu fĂŒhrt, dass VerhaltensĂ€nderungen im normativ gewĂŒnschten Sinne statt-
finden, ist schon in sich nicht schlĂŒssig. Denn jede Transparenz stellt sich nur
durch Kommunikation ein, d. h. sie nĂŒtzt nur so viel, wie sie vom Nutzer auch
tatsĂ€chlich fĂŒr sein Online-Verhalten herangezogen wird (Knorre 2018).
Das lÀsst sich erneut exemplarisch bei Facebook und Google zeigen. Das
GeschĂ€ftsmodell beider besteht darin4, eine Plattform fĂŒr personalisierte Wer-
bung zu bieten. Die eigentlichen Kunden sind nicht die User, sondern die Werbe-
treibenden in Wirtschaft, VerbÀnden oder Parteien. Und je besser Facebook und
Google ihre User kennen, desto zielgenauer können sie WerbeplÀtze verkaufen.
Facebook teilt die Nutzer dazu in zahlreiche, sehr kleinteilig definierte Ziel-
gruppen ein. Von Facebook sind 1300 Merkmale bekannt, anhand derer die Nut-
zer fĂŒr die Werbung klassifiziert werden.
Wer bei Facebook Mitglied ist, muss damit rechnen, dass zumindest sein
Name, seine Kontakte und sein Profilbild im Internet frei zugÀnglich sind. Das
Sichern persönlicher Daten ist, möglicherweise nicht ohne Absicht, bei beiden
Plattformen kompliziert und fĂŒr den normalen User nicht leicht zu durchschauen.
Zudem haben Facebook und Google die PrivatsphÀre-Voreinstellung immer wie-
der geÀndert, und vielen Nutzern ist deshalb nicht bewusst, welche Daten sie
offenbaren. Das GefĂŒhl der Machtlosigkeit und den Internetkonzernen ausgeliefert
zu sein, ĂŒberwiegt. In den USA gaben 72 % der Bevölkerung an, ihre Daten nur
widerwillig mit den Unternehmen zu teilen, und in Deutschland sagen 56 %, dass
sie persönliche Informationen in E-Mails vermeiden (Mooy De 2017, S. 21).
Doch obwohl ihnen der Schutz der eigenen Daten wichtig ist, so möchten
viele User andererseits nicht auf die Vorteile und den Komfort verzichten, den
diese Plattformen bieten. Entstanden ist deshalb das Paradoxon, dass einerseits
die Big Brother-ErzÀhlungen die öffentliche Diskussion beherrschen, anderer-
seits aber das individuelle Nutzerverhalten diese Ăngste nicht widerspiegelt.
Vergleichbare Beobachtungen beschreibt das âDigital Privacy Paradoxâ (Athey
et al. 2018). Forscher an der Stanford University fanden in Erhebungen auf dem
Campus heraus, dass Menschen schon fĂŒr eine kleine VergĂŒnstigung bereit sind,
private Daten weiterzugeben, obwohl sie auf der anderen Seite die Vertraulichkeit
von persönlichen Daten fĂŒr sehr wichtig halten. So waren die befragten Studieren-
den schnell bereit, die Namen ihrer besten Freunde weiterzugeben, wenn ihnen
dafĂŒr eine Pizza versprochen wurde. Die Social Media- und Suchmaschinenplatt-
formen kalkulieren kĂŒhl ein PhĂ€nomen ein, das in den Wirtschaftswissenschaften
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Title
- Die Big-Data-Debatte
- Subtitle
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Authors
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Publisher
- Springer Gabler
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Size
- 15.3 x 21.6 cm
- Pages
- 220
- Keywords
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Category
- Informatik
Table of contents
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207