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140 Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit
lichen Gesandten Sachsens und Brandenburgs erlaubt sein sollte, wie die anwesenden Kur-
fürsten selbst Sessel mit Rücken- und Armlehnen zu benutzen, und zwar deshalb, weil die
Kurfürsten von der Pfalz und von Bayern davon ausgegangen waren, dass die Gesandten
nicht bei der Tafel erscheinen würden.
Aber das taten sie, und schließlich „seindt ihnen gesandten allso nach langen negotii-
ren, das die speißen auch alle kalt worden, gleiche sessel zuegelassen worden, weillen sie
dociret, daß sie es vor disem gehabt, vnd man sich gesorget, sie wurden einen courier zue
ihren principalen schickhen, vnd die wahl ins stekhen gerathen.“303 Es war also keines-
wegs nur der Hunger, sondern zugleich die Sorge vor einer möglichen Verquickung dieses
Sessionsstreites mit der kurz bevorstehenden Wahl Josephs I., die zum Einlenken führte
– allerdings auch gleich zum nächsten zeremoniellen Problem:
„Weillen ihro Maytt. der Kayser den hueth aufgesezet, so haben die hn. Churfirsten vnd
legati sich auch bedekhet. Die geistlichen fürsten haben principaliter gestuzet, daß die
churfürstl. 2 legati sessel haben solten, vnd sie nur auf stüell zusitzen hetten, vnd wan die
Churfirsten vnd legati sich bedekhen wurden, daß sie nicht vnbedekhter bleiben köntten,
welches ihro Kayl. Maytt. durch dero Obrist Hoffmaister referirt worden, so sie billich be-
funden, das auf solchen fall alle die fürsten geistlich vnd weltlich, so bey der fürsten taffel
sitzen, auch aufsezen können, so auch geschehen.“304
Schließlich und endlich gelang es also den kurfürstlichen Gesandten, nicht nur hinsichtlich
der Sitzmöbel, sondern ebenso hinsichtlich der Kopfbedeckung die gleichen Rechte geltend
zu machen, wie sie im Falle der Anwesenheit ihren Landesherren zugestanden hätten. Der
Fall zeigt sowohl, dass zeremonielles Handeln ad hoc erfolgen konnte und oft musste, wie
die Verknüpfung von Rangstreit und Reichspolitik. Die Verweigerung von Podium, Arm-
lehnen und Hut konnte sich nach Meinung der Zeitgenossen direkt auf die Königswahl
auswirken. Dank eines Kutschenstaus konnte schließlich aber immerhin die von kaiserlicher
Seite abgelehnte, von den Kurfürsten aber geforderte Begleitung der kaiserlichen Kutsche
vom Rathaus zum Bischofshof durch die kurfürstlichen Gesandten vermieden werden305.
Am ausführlichsten sind wir über diese Konflikte durch die detaillierte Schilderung im
Zeremonialprotokoll des kaiserlichen Hofes informiert – die Probleme fanden hier nicht
zuletzt deshalb Aufmerksamkeit, weil die 1690 getroffenen Entscheidungen bei weiteren
Anlässen berücksichtigt werden mussten. Der Umstand, dass alle anwesenden Fürsten und
deren Gesandte nun bei der Tafel den Hut aufsetzen durften, muss ja zweifellos als erheb-
303 HHStA, ZP 4, fol. 482r.
304 HHStA, ZP 4, fol. 483r/v.
305 HHStA, ZP 4, fol. 485v–486r.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427