Page - 154 - in Die Kaiserin - Reich, Ritual und Dynastie
Image of the Page - 154 -
Text of the Page - 154 -
154 Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit
suchung der Beratungen des Kurfürstenrates hat deutlich gemacht, warum das der Fall war,
bot sich hier doch für das ansonsten weitgehend funktionslose Gremium ein prestigeträch-
tiges Aktionsfeld. Nach der Weigerung der Kaiserin, sich 1745 krönen zu lassen, stand erst
1790 wieder die Frage einer Kaiserinnenkrönung im Raum, waren doch beide Ehefrauen
Josephs II. früh verstorben. Maria Ludovica, die Gemahlin Kaiser Leopolds II., dagegen
reiste 1790 zwar mit ihm nach Frankfurt, blieb aber ungekrönt. Und Maria Theresia, die
zweite Gemahlin Kaiser Franz II., begleitete diesen sowohl 1790 zur Krönung seines Vaters
wie zu seiner eigenen 1792 nach Frankfurt359. Dass beide nicht mehr gekrönt wurden, wird
wohl mit der politisch-militärischen Situation ebenso wie mit deutlich erkennbaren Ein-
sparungsbemühungen in Verbindung zu bringen sein; jedenfalls scheinen keinerlei Über-
legungen bezüglich einer Krönung der Kaiserin angestellt worden zu sein. Ein genereller
Bedeutungsverlust ritueller Akte kann für das Haus Habsburg-Lothringen in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts jedenfalls noch nicht vermutet werden, zumal beide Kaiserinnen
als Königinnen in Böhmen bzw. in Böhmen und Ungarn sehr wohl gekrönt wurden360.
Am Beginn dieses Überblicks wurde zunächst herausgearbeitet, dass sich zweifellos eine
rituelle Hierarchisierung von Kaiser- bzw. Kaiserinnenkrönung erkennen lässt. Die Würde
der Kaiserin muss in dreierlei Weise als abgeleitet gelten: Sie wurde gekrönt aufgrund des
Ansuchens ihres Gemahls an den Kurfürsten von Mainz als Konsekrator, sie konnte nur
deshalb gekrönt werden, weil sie die Gemahlin des gewählten und gekrönten Kaisers war,
und der Kaiser wiederum war rechtlich gesehen nur deshalb Kaiser, weil die Kurfürsten
ihn gewählt hatten, weil er einen Eid geleistet und eine Wahlkapitulation unterschrieben
hatte. War schon ihre rechtliche Relevanz nicht gleichwertig, so stellte die Kaiserinnen-
krönung auch keine Herrscherweihe im rituellen Sinne dar, da Rechte und Rang einer
Kaiserin allein von ihrer Eheschließung abhängig waren. Durch den Verzicht auf zahlrei-
che rituelle Elemente der „männlichen“ Krönung bildete die Krönung der Königin bzw.
Kaiserin zugleich eine Umsetzung und Abbildung der herrschenden Geschlechterordnung.
Daneben ließen sich jedoch etliche Elemente erkennen, in denen beide gleichwertig
waren. Dazu gehörte zum einen der Aspekt der Sakralisierung von Herrschaft – als Herr-
scherpaar wurden Kaiser und Kaiserin am Ende der Sequenz von Salbung und Krönung
dargestellt, als Paar wurden sie in der abschließenden Messe den Anwesenden gegenüber-
gestellt und von der Menge der Ungesalbten abgehoben. Weitgehende Parität kann zum
anderen in Hinblick auf die Funktion der Krönung als rituelle Aufführung der Reichsord-
nung konstatiert werden.
359 Forster, Thron der Welt, 236; Fühner, Kaiserinnenkrönung, 302; Jäger, Vollständiges Diarium,
2. Anhang (Liste der Anwesenden). Auch aus dem Tagebuch des Reichsquartiermeisters (Hatten-
hauer, Wahl) ergeben sich keine Anhaltspunkte zur Krönung der Kaiserin.
360 Forster, Thron der Welt, 236f.; Bak/Pálffy, Crown, 234f.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
back to the
book Die Kaiserin - Reich, Ritual und Dynastie"
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427